Für seine Darstellung des innerlich zerrissenen Familienvaters in der Satire „American Beauty“ gewann Kevin Spacey im Jahr 2000 den Oscar als bester Schauspieler. Auch in „Der große Crash – Margin Call“ gibt der mittlerweile 52-Jährige einen Mann am Scheideweg.
Spacey verkörpert einen knallharten Banker, der kurz vor einem Einbruch der Börsen sein eigenes Leben und seine Moralvorstellungen überdenken muss. Warum ihm selbst Geld manchmal wichtiger als Moral ist und was ihm der Job als künstlerischer Leiter des historischen „Old Vic“-Theaters im englischen London bedeutet, erzählte Spacey im Interview.
Durch die Finanzkrise hat sich das Bild, das viele Menschen von Bankern haben, gewandelt. Geschäfte mit Bankern gelten mittlerweile häufig als schmutzig, zumindest moralisch. Sehen Sie das auch so?
Spacey: Für mein Theater „Old Vic“ erhalte ich keine öffentlichen Mittel, ich muss das ganze Geld auf anderen Wegen eintreiben. Und ich kann Ihnen versichern: Wenn es keine Banken und Banker gäbe, die erkannt haben, wie wichtig Kunst und Kultur für unser Leben sind, dann könnte ich meine Arbeit am „Old Vic“ nicht machen. Einerseits haben wir also all diese Gedanken über Gier und den Kollaps, andererseits denke ich „Gott sei Dank gibt es in eben dieser Industrie Individuen, die in Positionen sind, wo sie Kulturprojekte unterstützen können!“
Hinterfragen Sie Ihre eigenen Moralvorstellungen, wenn Sie nach Geldgebern suchen?
Spacey: Nein. Ich will das Geld. Mir ist ihre Arbeit scheißegal, solange sie es mir geben. Denn das, was das Geld bewirkt, ist gut. Zum Beispiel zahlt jemand für unsere Studentenplätze. Wir haben jeden Abend bei jeder Vorstellung 100 Plätze für junge Menschen unter 25 Jahren, die 12 Pfund (knapp 14 Euro) kosten. Mit Hilfe dieses Programms konnten innerhalb der vergangenen sieben Spielzeiten 75 000 junge Menschen unsere Produktionen sehen, was sie sich sonst nicht hätten leisten können. Das heißt: Ich habe keine moralischen Zweifel wenn es ums Geldsammeln für Kunst und Kultur geht, denn ich glaube, dass sie notwendig sind.
Sie sind seit 2003 künstlerischer Leiter des „Old Vic“. Warum bedeutet Ihnen Theater so viel?
Spacey: Da komme ich her, da wurde ich gewissermaßen geboren und großgezogen, da habe ich mein Handwerk gelernt. Ich habe Theater nie als Zwischenstopp zum Film angesehen. Ich finde, es ist so lebendig und so wichtig wie Film. Für mich ist Theater das Medium für Schauspieler, Film das Medium für Regisseure.
Der Film „Margin Call“ erinnert in seinem Aufbau, seiner Dramatik etwas an ein Theaterstück. Ist das auch einer Gründe, warum Sie sich für diesen Film entschieden haben?
Spacey: Ich habe viele Filme gemacht, die an Theater erinnern. Wahrscheinlich ist das so, weil ich ein Theaternarr bin und ich mich mit dieser Art und Weise eine Geschichte zu erzählen sofort sehr wohlfühle. Innerhalb kurzer Zeit wird etwas erzählt, knapp gehalten, fast wie in einem Thriller – und das haben sie auch in diesem Film geschafft. Sie kreierten so etwas wie ein Gefühl einer konstant tickenden Uhr.
Der Film wurde innerhalb von knapp drei Wochen gedreht. Hat dieser straffe Zeitplan auch beim Dreh geholfen?
Spacey: Es kann sehr wertvoll für einen Film wie diesen sein, wenn man nicht viel Geld und nicht viel Zeit hat. Wir haben nur 17 Tage gedreht. Das führt dazu, dass man morgens nicht nur zur Arbeit kommt, sondern auch tatsächlich arbeitet. Das ist bei größeren Filmen oft anders, da geht man zur Arbeit und wartet erst einmal. Hier hatte man diese Zeit nicht, du musstest dich bewegen, immerzu. Jeder Schauspieler musste also gut vorbereitet zum Set kommen, was eine ziemliche Herausforderung sein konnte, wenn man wie einige meiner Kollegen viel zu reden hat und das für die Zuschauer verständlich herüberbringen muss. Aber ich mag so ein Arbeiten.
Was meinen Sie: Sind die Banker in dem Film Opfer oder Verbrecher?
Spacey: Sie sind Menschen. Du kannst nicht „Verbrecher“ oder „Helden“ spielen. Ich habe versucht, zuerst einen Menschen zu spielen und erst danach einen Banker. Ich als Schauspieler kann nicht über die Menschen urteilen, die ich spiele. Das ist die Aufgabe der Zuschauer. Ich muss versuchen zu verstehen. Das Tolle am Schauspielern ist, dass es so menschlich macht. Denn wenn du durch deinen Job gezwungen bist, dich selbst in jemand anderen hineinzuversetzen, dann ist es viel schwieriger, Vorurteile zu haben, zu urteilen oder mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.
Sie haben einmal gesagt, Sie hätten Ihr Leben in Zehn-Jahres-Abschnitte geteilt: Theater-Schauspieler, Film-Schauspieler, Leiter des „Old Vic“. Sie sind vor acht Jahren nach London gezogen. Was wird also in zwei Jahren passieren?
Spacey: Ich werde etwas später wieder gehen, das heißt, meine zehn Jahre werden dieses Mal elf Jahre sein. Ich hatte eine bemerkenswerte Mutter, die mir immer Folgendes gesagt hat: Falls du so viel Glück haben solltest, dass ein Traum von dir wahr wird, dann sorg dafür, dass du einen neuen Traum hast. Also: Ich arbeite an meinem nächsten Traum!
Vielen Dank für das Gespräch.
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[Interview: Aliki Nassoufis]
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