Mit der Doku „Full Metal Village“ über das Metal-Festival im norddeutschen Wacken wurde sie bekannt. Jetzt dreht die Regisseurin Sung-Hyung Cho (45) einen Film über die deutschen Fußballerinnen. Das Projekt „11 Freundinnen“ soll im November ins Kino kommen.
Anders als in Sönke Wortmanns „Sommermärchen“ geht es weniger um das Turnier direkt, sondern eher um die Spielerinnen. Im Interview erzählt die gebürtige Koreanerin, was das deutsche WM-Aus für den Film bedeutet, was sie beim Thema Fußball beobachtet und was es mit Handgranatenweitwurf auf sich hat.
Das Aus für die deutschen Frauen kam überraschend. Was bedeutet das
für Ihren Film?
Sung-Hyung Cho: Ich war erstmal wirklich entsetzt, sehr traurig und bin in ein Loch gefallen. Ich habe die letzten Spielminuten mit Tränen verfolgt. Der Titelgewinn wäre eine schöne Krönung des Turniers gewesen. Mein Film sollte aber kein Turnierfilm werden, das war von Anfang an klar. Unabhängig davon, ob Deutschland den Titel gewinnt oder nicht, es soll einfach ein schöner Film werden. Wir haben schon sehr früh mit den Dreharbeiten angefangen, im Dezember, als die Mädels durch das schneebedeckte Stadion liefen. Wir haben
einige Frauen auch in ihrem Privatleben, bei der Arbeit und auf der Suche nach einer Karriere nach der Karriere begleitet.
Und jetzt?
Sung-Hyung Cho: Im Moment mache ich erst einmal Pause. Wie die Frauen momentan auch, sie besinnen sich und werden reflektieren, was da passiert ist. Nach einem Monat werde ich sie wieder aufsuchen und dann begleiten, wie sie in ihren Alltag zurückfinden.
Wer sind Ihre Protagonistinnen?
Sung-Hyung Cho: Das möchte ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Es sind aber nicht die ganz Berühmten. Es war für mich nicht das Auswahlkriterium, wer vorne spielt und berühmt ist.
Also ist es kein Film über Birgit Prinz?
Sung-Hyung Cho: Ich hätte sie gerne als Protagonistin gehabt, weil sie eine sehr interessante Persönlichkeit ist. Aber es ist ja bekannt, dass Birgit es nicht mag, im Vordergrund zu stehen. Meine Protagonistinnen sind diejenigen, die neben der Fußballkarriere auch arbeiten, studieren oder eine Ausbildung machen. Ich möchte das duale System zeigen, dass unsere Nationalspielerinnen nicht nur Fußball spielen.
Wie haben Sie das große Interesse, die Medienlawine rund um die
Spielerinnen erlebt?
Sung-Hyung Cho: Das war zwiespältig für mich. Einerseits fand ich es gut, dass der Frauenfußball soviel Interesse geweckt hat und manchmal ganzseitig in der „Bild“ oder der „FAZ“ war, das war wirklich klasse. Aber wenn die Paparazzi den Spielerinnen hinterhergejagt sind, das fand ich schlimm.
Was haben Sie bei diesem Film über Deutschland gelernt?
Sung-Hyung Cho: Das Phänomen Fußball ist generell sehr interessant. Die deutsche oder die abendländische Gesellschaft ist ja sehr von Individualismus geprägt – und dann ist gleichzeitig ein Mannschaftssport so groß angesagt. Die Deutschen stehen zu sich selbst, wenn es um Fußball geht. Ich kenne keinen in meinem Umfeld, der sagt, dass er stolz auf Deutschland ist. Bei Fußball aber sind
alle ganz stolz. Das fand ich rührend. In Bezug auf Frauenfußball fand ich interessant, dass dieser Vergleich mit den Männern immer noch besteht. Und dann diese Geringschätzung von Frauenfußball, die vielleicht mittlerweile etwas abgenommen hat: Während wir hier in Deutschland eine Kanzlerin, Ministerinnen und Bürgermeisterinnen haben, den Fußball wollen die Männer nicht abgeben.
Fußball als Chauvi-Bastion?
Sung-Hyung Cho: Ja, auch intellektuelle Männer, die ich als introvertiert, zurückhaltend und schüchtern erlebt habe, die werden wie Bestien, wenn sie im Stadion sind. So archaisch männlich, sie brüllen und lassen Sprüche los, die sie nirgendwo anders sagen würden. Interessant ist auch, wie sich unsere Bundestrainerin im Vergleich zu den Männern freut. Sie nimmt nie ein Tor für sich in Anspruch, sie feiert immer mit der Mannschaft, im Kollektiv. DieMänner-Trainer liefern da unglaubliche Performances.
Was haben Sie als Südkoreanerin vom Team aus Nordkorea mitbekommen?
Sung-Hyung Cho: Sehr wenig. Als ich sie in Ingolstadt beim Länderspiel im Stadion gesehen habe, hatte ich solches Mitleid. Ich saß ein paar Meter entfernt, neben der Ersatzbank, als sie hin und her liefen. Ich konnte deutlich merken, dass sie schlecht ernährt sind, zum Beispiel an der Haut. Sie sahen aus wie Südkoreanerinnen aus den 70er Jahren, als dort noch Hunger herrschte. Ihr Trikot war aus billigem Kunststoff, sie hatten Adidas-Lookalikes. Als ich sie
sah, wurde ich sehr, sehr traurig. Der Trainer ist bei der Pressekonferenz extra von mir weggegangen. Ich hatte auch einmal Blickkontakt zu den Spielerinnen im Bus, als die Fenster noch nicht verhängt waren. Ich trug das deutsche Nationaltrikot. Sie haben mich zuerst beobachtet. Das habe ich gespürt und in ihre Richtung geguckt. Dann haben sich alle weggedreht.
Haben Sie einen Draht zu Fußball oder können Sie spielen?
Sung-Hyung Cho: Nein, Fußball war nicht so mein Ding. Vor allem, weil ich immer Angst hatte vor dem Ball, wegen meiner Brille. Aber sonst bin ich sehr sportlich gewesen, in der Grundschule, bei 100-Meter-Sprints, Weitsprung oder beim Handgranatenweitwurf.
Handgranatenweitwurf?
Sung-Hyung Cho: Ja, das gab es auch als Sport in der Schule in Südkorea. Ich wusste immer nicht, was es ist, irgendwann habe ich realisiert, dass es Handgranaten-Attrappen waren. Ich konnte sehr weit werfen.
Frau Cho, vielen Dank für das Gespräch.INTERVIEWs im Überblick
[Caroline Bock]
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