Wie sieht es im Herzen der italienischen Mafia aus? Journalist Robert Saviano hat sich hineingewagt und ein Buch geschrieben, wegen dem er seither unter Polizeischutz steht. Auf Arte startet nun die auf dem Buch basierende TV-Serie, die die Mafia von ihrer dunkelsten Seite zeigt.
Rohe, gesichtslose Betonburgen, vor deren Fenstern Wäsche hängt. Parkdecks, Tiefgaragen und Spielhöllen, in denen die Tristesse lungert. In Straßen ohne ordentliche Infrastruktur knallt tagsüber die Sonne. Nachts vor allem, wenn künstliche Lichter glitzern, wird hier sehr versiert gemordet – Schießereien, brennende Autos und Wohnungen legen davon Zeugnis ab. Scampia, nördlichster, heruntergekommener Stadtteil an der Peripherie von Süditaliens Neapel, gilt Insidern als größter Drogensupermarkt Europas, das Geschäft fest in der Hand von Familienclans der Verbrecherorganisation Camorra. Einer, der sich todesmutig getraut hat, Licht in deren organisatorische und wirtschaftliche Strukturen sowie ihre Verflechtung mit der Lokalpolitik zu bringen, ist der Schriftsteller und Journalist Robert Saviano.
Seit Erscheinen seines Faktenromans „Gomorrha“ (2006) steht der vielfach geehrte Autor deshalb unter Personenschutz des italienischen Innenministeriums. Normales Leben ist dem 36-Jährigen nicht mehr möglich. Sein Buch (Hanser-Verlag, München), für dessen Recherche Saviano etwa verdeckt im Hafen gearbeitet hat, ist in 31 Sprachen übersetzt und in 43 Ländern publiziert. Es offenbart, wie Machtgier, Geld und Blut die Camorra bewegen, die ihren Einfluss längst auf andere EU-Staaten wie Deutschland ausgedehnt hat. Nach Szenen daraus schuf Regisseur Matteo Garrone 2008 die preisgekrönte Kinoproduktion „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“. Eine weitere Verfilmung, die italienische Fernsehserie „Gomorrha“, startet am heutigen Donnerstag um 21.00 Uhr auf Arte.
Vor einem Jahr lief das zwölfteilige Werk bereits auf dem Pay-Sender Sky Atlantic HD. Enthusiastisch urteilte damals die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Der federführende Regisseur Stefano Sollima (‚Romanzo Criminale‘) inszeniert ein Panorama des Bösen, das zum Besten und Suggestivsten gehört, was es zur Zeit im deutschen Fernsehen zu sehen gibt.“ Und in einem Interview im aktuellen Arte-Presseheft unterstreicht Saviano, dass dabei „Scampia der Protagonist ist, ein Akteur – kein Schauplatz, den man errichten kann“, eben „die DNA der Serie“. Vor Ort – er hat real natürlich auch anständigen Seiten – gedreht nach Scripts, an denen Saviano mitwirkte, sind nun in grandiosen Bildern Innenansichten der Mafia zu erleben. Alles soll der Wirklichkeit entstammen – arrangiert mit Fantasie, aber ohne Dunkel-Romantik.
Hammerhart, bei gern unflätiger Wortwahl geht es in Folge eins gleich los: Da wischt Clanchef Don Pietro Savastano (Fortuno Cerlino) – Brillenträger mittleren Alters mit Businessman-Habitus – seinem jungen Rivalen Salvatore Conte (Marco Palvetti) eins aus, der ihm im Drogenhandel in die Quere kommt. Er lässt die Wohnung, wo dieser gerade mit seiner Mutter zu Abend isst, in Flammen setzen. Die Retourkutsche: Conte beschießt Savastanos Lieblingsbar, richtet ein Blutbad an, bei dem nur einer überlebt: Ciro (Marco d’Amore), Savastanos rechte Hand, fortan „der Unsterbliche“ genannt. Die unruhigen Machtverhältnisse beider – fiktiver – Clans prägen die Thriller-Story, wobei auch Pietros Sohn (Salvatore Exposito) und Frau (Maria Pia Calzone) Ambitionen haben.
Ein wechselhafter Familiensinn sticht bei alledem genauso ins Auge wie die Gewohnheit, mit den Kindern bei Tisch zu beten oder auch das Kreuz an der eigenen Halskette zu küssen. Da zeigen sich die unsauberen Herren aus Scampia in ihren pseudo-barock eingerichteten Wohnungen zum Teil – noch – ganz süditalienisch-konservativ. [fs/Ulrike Cordes]
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