„House of the Dragon“ Folge 8: Eine preisverdächtige Sterbeübung

2
2003
Daemon Targaryen und ein Drachenei
Foto: 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved.

Die neue Folge von „House of the Dragon“ feilt am Konflikt zwischen Reich und Familie und bereitet einem Schauspieler die ganz große Bühne.

„House of the Dragon“ bewegt sich durch eine Häufung verzögernder Momente. Schon länger stehen alle Zeichen auf Eskalation, das meint Krieg. Die Frage ist nur noch, wann er ausbrechen wird. Letzte Figuren müssen in Position gerückt, letzte Allianzen geschmiedet oder aufgekündigt werden. Folge 8 mit dem Titel „Lord of the Tides“ spielt eindrucksvoll mit diesen Verzögerungen. Sei es der Erbfolgekonflikt um den Stammsitz der Velaryons, der im wörtlichen Sinne und mit aller Gewalt abgeschnitten wird. Sei es das vorsichtige Annähern zwischen Rhaenyra und Rhaenys nach langer Zeit – zwei Frauen, die sich in der Verzweiflung zusammenraufen, da sie ihre Macht schwinden sehen. Oder sei es das letzte Aufbäumen des Königs, der sich, mehr tot als lebendig, aus dem Bett wagt, um ein weiteres Mal unerbittliche Faktenblindheit an den Tag zu legen.

Paddy Considine reißt diese Episode an sich. Es ist sensationell, preiswürdig, wie er ein letztes Mal den sterbenden, verblendeten Glanz des Königs einfängt, dieses wandelnden Todes. In seinem dementen Gebrabbel, seinen schmerzerfüllten Gesten, der eingeknickten Haltung, dem stöhnenden Humpeln wütet noch einmal der ganze Konflikt, aus dem sich die Serie entsponnen hat. Sein Hirngespinst, das Modell des untergegangenen und nostalgisch beschworenen Valyria in seiner Kemenate, ist längst von Staubschichten überzogen, umwebt von Spinnennetzen. Von dem inszenierten Glanz der in Traditionen verbissenen Targaryen-Herrschaft ist kaum etwas geblieben. Seine Frau hat den Glaube der Sieben in die Feste gebracht. Zu Beginn der Staffel war da noch von der Göttlichkeit der Targaryens die Rede, ein durch Drachen gesichertes Image. Jetzt ist es abgelöst von neuen Göttern.

Foto: 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved.

Der (un)tote König

„Lord of the Tides“ ist eine ungeheuer beklemmende Folge. All das Tragische, die Ausweglosigkeit der vorherigen Woche setzt sich in packenden Dialogen fort. Das zeremonielle Auf- und Abtreten von Figuren erfährt immer neue Spiegelungen und Wiederholungen, die von einem Konflikt künden, der dazu verdammt ist, sich grenzenlos fortzusetzen. Mit ihrem wiedervereinten Ensemble kann die Episode überdies eleganter über ihren Zeitsprung hinwegtäuschen als die vergleichbare Folge 6. Weil „Lord of the Tides“ viel weniger Neuigkeiten zu verbreiten hat, sondern in erster Linie einen Zoom vornimmt, um das Ende eines seiner Hauptfiguren mit angemessener Substanz zu versehen.

Es ist reinster Körperhorror, mit dem dieses Ende inszeniert ist. Geeta Vasant Patels Regiearbeit zeigt ihn als eine behutsame Annäherung: an das verhangene Bett, in dem der faulende Körper dahinsiecht, und als einen beschwerlichen Gang zum Thron. Untermalt wird er von Ramin Djawadis elegischen Streicherklängen. In den Pomp der musikalischen Themenvariation haben sich Unbehagen und Trauer gemischt. Später wird König Viserys seine Maske an der Festtafel abnehmen, um einen augenlosen Totenschädel zu entblößen. Wahrscheinlich zum letzten Mal sitzt die ganze Familie gemeinsam am Tisch. Sticheleien, aber auch Zuneigungen werden ausgetauscht. Selbst die Feindinnen, Rhaenyra und Alicent, scheinen sich versöhnen zu wollen. Die Ruhe vor dem Sturm.

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

„House of the Dragon“ schwelgt in Charaktermomenten

An der Grenze zum Kitsch bewegen sich diese Eindrücke, die der sterbende Regent von seiner Sippe erhascht, um einen finalen, trügerischen Moment inneren Friedens zu erleben. Denn selbstverständlich ist das nur eine geschickte falsche Fährte dieser Serie, die unaufhaltsam ins Schreckliche strebt. Wir befinden uns ja nur in einem von Betäubungsmitteln zugedröhnten Geist. Die goldene Maske, mit der er seine Fassade erhält, ist die letzte Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Körper, zwischen den Bestrebungen der Familie und dem herbeifantasierten Wohl des Reiches, dem Erhalten des gewohnten Laufs.

In dem Moment, da er sie abnimmt, ist das Echte enthüllt und damit eine weitere Fantasie. Allzu menschlich, menschelnd geht es zu in dieser Episode, die nicht von Königen und Erbinnen, sondern von Vätern und Töchtern, dem Altern und Sterben erzählen will. Dabei zeigt dieses mit brodelnder Spannung inszenierte Bankett längst, dass jenes Beharren auf dem Menschlichen, Verbindenden, auf irgendwelchen familiären Werten und Besinnungen auf die eigenen Vorteile der Blutbande die Wurzel allen Übels ist.

Olivia Cooke und Emma D'Arcy
Foto: 2022 Home Box Office, Inc. All rights reserved.

Eine fatale Verwechslung

Wo sich die Elterngeneration zu vertragen versucht, ist der Konflikt auf die Nachkommen übertragen: eine Truppe von Gekränkten, Gewalttätigen, Neidern, Verwöhnten und Gierigen. Umso grausamer, umso konsequenter und bitterer sitzt diese letzte Pointe, mit der der König ins Jenseits verabschiedet wird. Noch einmal fantasiert er im Delirium von Aegons Traum, dem Lied von Eis und Feuer. Aus „Game of Thrones“ wissen wir bereits (unfreiwillig?), dass es sich als leere Hülse entpuppt hat, als letztliche Bedeutungslosigkeit im Lauf der Geschichte, die sich doch ihre ganz eigenen Ausflüchte gesucht hat.

Ausgerechnet aufgrund einer simplen Namensverwechslung durch Königin Alicent wird nun offenbar ein Krieg entbrennen. Schlicht zu viele Aegons, um sie noch auseinanderhalten zu können. Ihr geht es da nicht anders als dem TV-Publikum. Die große übersinnliche Prophezeiung von der eisigen Bedrohung und der langjährigen Targaryen-Herrschaft, die all den Machthunger rechtfertigen sollte, liegt nun ausgebreitet da: als reiner Wust an familiärer Ideologie, die sich auf fatale Weise in sich selbst verheddert hat. Das Geheimnis hat sich selbst verhört. „Nicht mehr, nicht mehr“, raunt der König, während ihm der Lebensatem entweicht und die Bilder ins Dunkle gleiten. Für alle anderen ist es ein Beginn.

„House of the Dragon“ ist seit dem 22. August bei Sky zum Streamen verfügbar. Jeden Montag erscheint eine neue Episode. Weitere Infos zur Ausstrahlung gibt es hier.

Alle Besprechungen zu „House of the Dragon“ im Überblick

Eine Vorschau zur bevorstehenden neunten Episode kann man hier sehen:

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

HinweisBei einigen Verlinkungen handelt es sich um Affiliate-Links. Mit einem Kauf über diesen Link erhält DIGITAL FERNSEHEN eine kleine Provision. Auf den Preis hat das jedoch keinerlei Auswirkung.

2 Kommentare im Forum
  1. Der König spielt trotz seines Siechtums noch mal groß auf. Die Geräusche, die er von sich gibt, erinnern mich schmunzelnd an mich selbst, wenn ich mich nach 2 Episoden von meinem Sofa erhebe.
Alle Kommentare 2 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum