Klartext statt Fachchinesisch: Uli Hoeneß will als TV-Experte nicht über die „falsche Acht“ oder „krumme Neun“ schwadronieren. Sondern sagen, was Sache ist im deutschen Fußball, beim Bundestrainer und „meinen Münchner Pappenheimern“.
Susi Hoeneß hat erstmal mit dem Kopf geschüttelt. Und dann hat sie ihren Ehemann gefragt, ob ihm langweilig sei. So erzählt es jedenfalls Uli Hoeneß. Nach fünf Jahrzehnten im Rampenlicht des Profi-Fußball probiert er als Ruheständler nochmal etwas Neues aus. Am Donnerstag legt der Patron des FC Bayern beim WM-Qualifikationsspiel gegen Island (Anpfiff: 20.45 Uhr) bei RTL als TV-Experte los.
Der 69-Jährige wird dann über Joachim Löw, Torhüter und Stürmer reden. Und er wird auch die vielen Nationalspieler seines Vereins bewerten, die er liebevoll „meine Pappenheimer“ nennt. Bei der Analyse wird er auch direkt auf Löw treffen, denn der Bundestrainer spricht nach dem Schlusspfiff traditionell zuerst bei dem Sender, der das Spiel live überträgt. „Und da werde ich sagen, was ich gesehen habe“, kündigt Hoeneß, die langjährige Abteilung Attacke aus Bayern und für Bayern, an. Löw habe er dabei aber gar nicht als Zielscheibe im Visier. „Wer glaubt, dass ich alles in Schutt und Asche rede, der täuscht sich“, sagt Hoeneß: „Ich will konstruktiv und kritisch, aber – wenn möglich – auch positiv die Länderspiele begleiten.“
Die zunächst vereinbarten drei RTL-Auftritte bei den WM-Qualifikationsspielen gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien könnten unterhaltsam werden für die Zuschauer. RTL-Geschäftsführer Jörg Graf hob bei der Bekanntgabe Hoeneß‘ „geballte Fußballkompetenz und Leidenschaft für den Sport“ hervor. Man stelle sich nur mal vor, Hoeneß wäre schon beim jüngsten 0:6 der Löw-Schützlinge in Sevilla gegen Spanien der Experte im Fernsehstudio gewesen. Wäre da nicht Anlass zu einer „Schutt-und-Asche“-Rede gewesen?
Vorerst drei Einsätze
Hoeneß reizt die neue Aufgabe ungemein, wie er sagt. Und schrecklich langweilig sei ihm auch nicht in seinem Haus oberhalb des Tegernsees. RTL warb hartnäckig um ihn, die wortgewaltigste Figur im deutschen Fußball. Am Ende sagte er zu: „Mich reizen Herausforderungen.“
Und er findet, er hat immer noch viel zu sagen zum deutschen Fußball. Eine kleine Kostprobe seiner Wortgewalt lieferte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur zu seiner TV-Premiere. Etwa zum Zustand des DFB und dessen zerstrittener Führungsriege. „Ich bin überzeugt, dass beim DFB ohnehin viel zu verändern ist – nicht nur der Bundestrainer“. Löw hört bekanntlich nach der EM im Sommer auf.
Früher hat Hoeneß die Fußball-Experten im Fernsehen eher „belächelt“, wie er zugibt. Er hat sie auch mal abgewatscht, wenn einer seinen Herzensclub angriff oder einen seiner Pappenheimer. Didi Hamann, früherer Bayern-Profi und heutiger Sky-Experte, blaffte Hoeneß mal an, er fühle sich „wie der Messias der Fußball-Kommentatoren“.
Hoeneß sieht Situation beim DFB generell kritisch
Anno 2021 sieht Löw im Expertenjob eine Herausforderung für sich. Er wird wegen der Corona-Pandemie übrigens nicht in Duisburg im Stadion stehen und reden, sondern mit Moderator Florian König im RTL-Studio in Köln. Er hofft, dass sie sich verbale Doppelpässe zuspielen, wie einst das ausgezeichnete ARD-Duo Günter Netzer und Gerhard Delling.
„Wir wollen sie nicht kopieren“, sagt Hoeneß, den auch niemand in dieser Fußballwelt kopieren könnte. Er will den Zuschauern vor allem Spaß bereiten und sie nicht mit Fußball-Chinesisch langweilen. „Mit der falschen Acht und der krummen Neun“ solle sich während des Spiels das RTL-Kommentatorenduo Marco Hagemann und Steffen Freund beschäftigen. Hoeneß ist schon sehr gespannt, wie er in der neuen Rolle ankommt, vor allem beim Publikum, aber nicht nur da.
„Ich möchte erstmal sehen, ob ich das kann, ob ich es gut mache, ob die Zuschauer mich akzeptieren. Ich bin ziemlich selbstkritisch.“ Wenn’s gut läuft, könnte es im Juni eine Fortsetzung geben, sozusagen eine zweite RTL-Staffel mit Hoeneß in der Expertenrolle, die dort zuletzt mit Jürgen Klinsmann und Michael Ballack besetzt war.
Seiner Frau konnte Hoeneß übrigens sagen, dass der neue Job und das „gute Honorar“, das er erhält, einem guten Zweck dient. „Da ich meine außerordentlichen Einkünfte spende und durch die Pandemie Vorträge und dergleichen wegfallen, sind die Stiftungen, die ich mit diesem Geld sonst bediene, etwas zu kurz gekommen.“
[Klaus Bergmann und Jens Mende]
Bildquelle:
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