Nachmittags-Talkshow, das klingt nach 90er Jahre, Hans Meiser oder Arabella – doch auch 2013 gibt es das noch. Bis zum Frühjahr war „Britt“ bei Sat.1 auf Sendung und nun kommt „Inka“ im ZDF.
Es schien das Ende einer Ära, ein verspätetes Ableben der 90er Jahre mit ihrem Daily-Talk-Überfluss, als im Frühjahr die bis dato letzte tägliche Talkshow wegen Quotenschwunds abgesetzt wurde. Sat.1 begründete das Aus damit, dass der Publikumszuspruch der vorangegangenen Monate gezeigt habe, „dass Talk offenbar nicht mehr den Nerv der Zuschauer trifft“. Die Sendung „Britt“ verschwand dann sogar schneller aus dem Programm als zunächst verkündet. Doch jetzt erlebt das Format der (werk-)täglichen Talkshow am (Nach-)Mittag eine Renaissance – und zwar mit Inka Bause („Bauer sucht Frau“) und der Show „Inka!“ im ZDF (siehe DF-Hintergrundbericht) mit Start am 2. September um 15.05 Uhr.
So kurz war wohl selten eine Zwischen-Epoche im Fernsehen: Ein großer Sender sagt ein Format tot und ein anderer belebt es flugs nach einigen Wochen bereits wieder. Genau genommen war diese Phase ohne Nachmittags-Talkshow im deutschen TV gerade einmal 52 Tage lang – von Mitte Juli bis Anfang September.
Denn: Auch wenn „Britt“ schon im Frühjahr bei Sat.1 verschwand, so wurden von dem früheren Quotenbringer noch wochenlang Ausgaben produziert, die der Sender jedoch nur im Kanal Sat.1 Gold zeigte. Im Sat.1-Hauptprogramm wurde dann aber am 12. Juli doch noch „Danke, Britt! Die große Abschiedsshow“ gezeigt, die Vera Int-Veen moderierte und die auf zwölf Jahre „Britt“ zurückblickte.
Hagedorns Sendung galt als das letzte werktägliche Talk-Format zu Alltagsthemen, von denen es früher viele gab – ein Überblick über die wohl bekanntesten Formate, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
HANS MEISER (RTL, 1992 bis 2001): Als früherer RTL-Nachrichtenmann warf der TV-Altmeister vor mehr als 20 Jahren als Talk-Onkel seinen recht seriösen Ruf in die Waagschale und wurde zum Pionier eines für Deutschland völlig neuen Formats samt werktäglicher Ausstrahlung, nichtprominenten Gästen oder Diskussionsbeteiligung des Publikums.
ILONA CHRISTEN (RTL, 1993 bis 1999): Ein Jahr nach Hans Meiser startete RTL die zweite Nachmittags-Talkshow, ebenfalls monothematisch und mit unprominenten Gästen. Die stets mitfühlende Christen, die mit dem „ZDF-Fernsehgarten“ (1986-1992) bekannt geworden war, starb 2009 im Alter von 58 Jahren in der Schweiz.
ARABELLA (ProSieben, 1994 bis 2004): Die Österreicherin Arabella Kiesbauer hatte ein ähnliches Konzept wie Meiser und Christen, zielte jedoch mit ihren Themen und flotterer Kamera auf ein deutlich jüngeres Publikum. Die Show neigte zeitweise zu Krawall, Kiesbauer zeigte sich 1995 im „Playboy“. Heute moderiert sie nur noch selten.
FLIEGE (ARD, 1994 bis 2005): Der evangelische Theologe Jürgen Fliege war jahrelang der Talk-Seelsorger im Ersten. Fiel dann ein bisschen in Ungnade und gilt manchem als zu esoterisch. Nach Fliege heißen heute auch eine Zeitschrift oder ein Internet-Kanal.
BÄRBEL SCHÄFER (RTL, 1995 bis 2002): Die blonde Moderatorin prägte das Talk-Genre, zog sich dann aber nach mehr als 1500 Sendungen zurück. Bärbel Schäfer macht heute zum Beispiel Radio beim Hessischen Rundfunk und ist die Frau des Publizisten Michel Friedman.
VERA AM MITTAG (Sat.1, 1996 bis 2006): Vera Int-Veen war der Talk-Fels in der Mittagsbrandung – mehr als 2000 Ausgaben moderierte sie. Worte von ihrer Homepage zum Phänomen Daily Talk: „Ich bin mir sicher: Das Interesse der Zuschauer an individuellen, persönlichen Geschichten und Diskussionen besteht weiterhin.“
SONJA (Sat.1, 1997 bis 2001): Konflikte und Emotionen lautete die Devise bei Sonja Zietlow, die Millionen heute vor allem als kühle Kommentatorin beim RTL-Dschungelcamp („Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“) kennen.
BIRTE KARALUS (RTL, 1998 bis 2000): Ihre Show galt als besonders hart, bei Birte Karalus wurden auch mal Alkoholiker oder Minderjährige in ziemlich komplizierten Situationen vorgeführt.
JÖRG PILAWA (Sat.1, 1998 bis 2000): Karrierestation des heute beim ZDF und bald wieder bei der ARD arbeitenden, erfolgreichen Konsens-Moderators Jörg Pilawa.
ANDREAS TÜRCK (ProSieben, 1998 bis 2002): Bei ihm trafen sich meist Menschen, die sich kannten und sich dann gerne angingen („Bäh, du stinkst…“). Der Moderator war meist wenig moderat: Andreas Türck machte sich oft mit dem Publikum lustig über seine schrägen Gäste.
DIE OLIVER GEISSEN SHOW (RTL, 1999 bis 2009): Der smarte Oliver Geissen kam als Nachfolger der tantigen Ilona Christen ins Programm und wandte sich eher an Jüngere. Umstritten waren zum Beispiel Vaterschaftstests, die in seiner Sendung gemacht wurden.
RICKY! (RTL, 1999): Kurzes Zwischenspiel, das jedoch wegen des Akzents und Lachens des quirligen, aus den USA stammenden Moderators Ricky Harris im Gedächtnis blieb. Wie RTL neulich berichtete, will der heutige Bademeister gern zurück ins Fernsehen.
SABRINA (RTL, 1999 bis 2000): Vormittags-Talk-Zwischenspiel der Journalistin Sabrina Staubitz, die heute kaum noch auftritt und mit dem „Zeit“-Chefredakteur und „3nach9“-Talker Giovanni di Lorenzo liiert ist.
BRITT (Sat.1, 2001 bis 2013): „Britt – Der Talk um eins“ übernahm den Sendeplatz von Sonja Zietlows Talkshow. Das Format war bekannt für Familien-Zoffs und Treue-Tests. In der Abschiedsshow 2013 musste Britt Hagedorn dann endlich auch mal selber an den oft eingesetzten Lügendetektor. [Gregor Tholl]
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