Fernweh, Abenteuerlust oder einfach nur Flucht aus der Tristesse? „One Way Ticket“ zeigt, wie der Wunsch nach einem besseren Leben Menschen Grenzen überschreiten lässt. Auch was die Moral angeht.
Seltsam genug: Ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation wird vergiftet. Noch seltsamer: Er hat seine Ermordung zuvor gemeldet. Warum hat er eine solche Angst gehabt, dass er seinen eigenen Tod angezeigt hat? Die Spuren führen die „Tatort“-Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) im Sonntagskrimi „One Way Ticket“ schnell nach Nairobi und zu harmlos wirkenden deutschen Rentnerinnen und Rentnern. Die Alten jetten regelmäßig um die Welt – als Drogenkuriere. Nach und nach enthüllen die beiden Ermittler ein weit verzweigtes Geflecht, dessen Anfänge mehr als 30 Jahre alt sind. Die Spur führt in das Ministerium für Staatssicherheit der untergegangenen DDR.
Der „Tatort“ aus München, zu sehen am zweiten Weihnachtstag um 20.15 Uhr, dreht sich um den Wunsch nach einem besseren Leben, den ein paar rüstige Seniorinnen und Senioren aus München haben. Für Regie und Drehbuch des Krimis vom Bayerischen Rundfunk zeichnet Rupert Henning verantwortlich. Er hat Erfahrung aus drei Wiener „Tatort“-Episoden.
Die „Alten Hasen“, wie die Rentnerinnen und Rentner im Film genannt werden, lassen sich aus ihrer Sehnsucht heraus in kriminelle Machenschaften verwickeln. Irgendwann merken sie jedoch, dass der Traum nur eine große Täuschung ist. Einer von ihnen wird am Flughafen in Nairobi mit einem Haufen Geld im doppelten Boden seines Koffers erwischt. Als jemand, der zu viel über die Strippenzieher weiß, muss er in Kenias härtestem Gefängnis bald um sein Leben bangen.
Dieser Erzählstrang der „Tatort“-Geschichte ist von einer wahren Begebenheit inspiriert. „Das war mein Ausgangspunkt für „One Way Ticket“ – die Lektüre eines sehr interessanten und bewegenden Artikels über einen deutschen Rentner, der jahrelang für ein afrikanisches Drogenkartell als Kurier gearbeitet hatte“, sagt Regisseur Henning. Der Fall von „One Way Ticket“ sei grenzüberschreitend im doppelten Sinne. „Nicht nur, weil wir in München und auch im fernen Afrika gedreht haben, sondern weil die Menschen, um die es geht, moralische Grenzen überschreiten und am Ende ihr Schicksal und das Recht in die eigene Hand nehmen müssen.“
Auch filmisch wird dieser Kontrast untermalt: Auf der einen Seite ein trostloses Leben in der bayerischen Landeshauptstadt, überzeichnet durch das graue Wetter und eine bedrückende Stimmung. Auf der anderen Seite das vermeintliche gute Leben, symbolisiert durch warme Farben und Sonne in Nairobi. Traumsequenzen: Eine junge und schöne Kenianerin lächelt im Laufe des Krimis immer wieder in die Kamera. Sie tänzelt in ihrem gelb-weißen Strandkleid ganz leicht durch den hellen Sand, die Wellen rauschen im Hintergrund. Im Laufe des Films wird diese Vision blasser und von anderen Eindrücken überschattet.
Der 82. Fall der Münchner „Tatort“-Ermittler erzählt eine spannende, aber am Ende sehr traurige Geschichte von Menschen jenseits der 60, die vom Leben enttäuscht wurden und sich einfach nach einer besseren Zukunft sehnen. Wäre da nicht dieser Stasi-Handlungsstrang, der an manchen Punkten doch etwas beliebig und zu konstruiert daherkommt – als hätte man einen James-Bond-gerechten Superschurken gebraucht. Leider wird die Geschichte dann aber nicht konsequent auserzählt.
Diesmal ganz ohne Klamauk, dafür gewohnt bissig, kommen die kleinen Reibereien zwischen Leitmayr und Batic daher, von denen sich Jung-Kommissar Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) so einiges abgeschaut hat. Das Duo ist mittlerweile seit 1991 für den „Tatort“ des BR im Einsatz, länger dabei ist nur Ulrike Folkerts als Lena Odenthal aus Ludwigshafen, die im November ihr 30. Dienstjubiläum gefeiert hat. (Jennifer Weese, dpa)
Bildquelle:
- Tatort_One_Way_Ticket: © BR/Roxy Film/Marco Nagel