Eben war das Leben noch in schönster Ordnung, doch dann kippt alles – durch eine böse Krankheit. Was sich dadurch ändert, das zeigt ein Spielfilm auf Arte: „Herbert“.
Oft ist eine gefährliche Krankheit der Auslöser dafür, sein Leben aufzuräumen oder neu zu ordnen, so gut es eben geht. So ist es auch bei der Hauptfigur Herbert in dem Film, der nach ihm benannt ist. Arte zeigt „Herbert“ diesem Mittwoch (22.35 Uhr).
Ein Mann allein daheim: Er boxt mit einem Sandsack, er schert sich den ohnehin schon fast kahlen Schädel, füttert die Fische, wäscht sich die Hände – die rechte zittert. Doch Herbert (Peter Kurth) tut so, als wäre nichts weiter. Und dann geht er ins Boxstudio, wo er den jungen Eddy (Edin Hasanovic) trainiert – ansonsten schlägt er sich als Türsteher durch und treibt Schulden ein für seinen alten Freund Bodo (Udo Kroschwald).
Statt mit seiner Freundin Marlene (Lina Wendel) abends auf seinen Geburtstag anzustoßen, lässt sich der Ex-Knacki lieber von seinem Kumpel Specht (Reiner Schöne) ein neues Tatoo stechen. Doch dann wird bei dem früheren Boxprofi ALS diagnostiziert, eine unheilbare Nervenkrankheit, bei der sich die Muskeln zurückbilden. Und das ausgerechnet bei ihm, dem Muskelmann.
Schon bald braucht er einen Stock, er verliert sämtliche Jobs. Nun beginnt er, wenigstens sein verkorkstes Privatleben zu ordnen, und sucht den Kontakt zu seiner erwachsenen Tochter Sandra (Lena Lauzemis), die mittlerweile selbst eine Tochter hat. Er kramt sein Gespartes aus dem Versteck in seiner dunklen Bude, kauft Marlene ein Schmuckstück und versucht, einen Zugang zu Sandra zu finden.
Dabei kann der Zuschauer minutiös verfolgen, welche Anstrengung und Überwindung ihn das kostet. Peter Kurth spielt diesen wortkargen und vierschrötigen Kerl mit großer, fast schmerzhafter Intensität und zeigt, in welch rasantem Tempo diese schreckliche Krankheit zuschlägt: Das Sprechen fällt ihm immer schwerer, er ist bald auf einen Rollstuhl angewiesen, und ohne die Hilfe seiner Marlene – die Lina Wendel mit großer Hingabe spielt – wäre er völlig aufgeschmissen. Doch Kurth zeigt auch, wie unfassbar stolz und zerbrechlich dieser ehedem so kräftige Hüne im innersten immer war und noch immer ist.
Peter Kurth (60, „Zwischen den Jahren“) demonstriert hier eindringlich, was für ein großartiger Schauspieler er ist. Auch in der neuen Serie „Babylon Berlin“, die zunächst auf Sky gestartet ist und im Herbst im Ersten zu sehen sein wird, und in der eine Hauptfigur spielt, ist das der Fall.
Regisseur Thomas Stuber (36, „Ein Mann unter Verdacht“) hat mit Peter Kurth auch den Film „In den Gängen“ gedreht, der auf der kommenden Berlinale uraufgeführt wird. Mit „Herbert“ ist ihm eine fein gezeichnete Milieu- und Figurenstudie gelungen, in der es zwar nicht viel zu lachen gibt, die jedoch bis zum bitteren und konsequenten, aber auch versöhnlichen Ende zeigt, dass es im Leben nie zu spät ist für Besinnung oder Umkehr. Das, was nicht gelebt oder getan wurde, ist sicher unwiederbringlich verloren. Aber jeder noch so kleine Kampf lohnt sich, für sich selbst und erst recht für die anderen, die mit der Erinnerung zurückbleiben.
[Klaus Braeuer]
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