ZDF-Mann Coridaß im Interview. Er stand lange an der Spitze der Vertriebsfirma ZDF Enterprises – Nach 20 Jahren legt er sein Amt nieder und zieht Bilanz.
Er ist einer der wichtigsten TV-Programmhändler Deutschlands und hat den weltgrößten Fernsehmarkt, die MIPCOM in Cannes, als Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaft ZDF Enterprises entscheidend mitgeprägt. Es wird seine letzte Messe sein, denn Ende des Jahres legt der 63-jährige Medienmanager aus privaten Gründen seinen Posten nach 20 Jahren nieder. Im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagte Coridaß: „Gute Serien haben in Deutschland nicht selten ein Problem.“ Außerdem bedauert er, dass die Plattform „Germany’s Gold“ als kommerzielles Online-Angebot von Produzenten, ARD-Vertriebstöchtern und dem ZDF nicht zustande gekommen ist.
Frage: Seit 28 Jahren fahren Sie zu den TV-Messen nach Südfrankreich. Was haben Sie dort bewirkt?
Antwort: Wir haben mit internationalen Koproduktionen, aber auch mit ZDF-Inhalten Marken und Trends geschaffen. Das war schon mehr als das übliche Geschäft, mit wirklichen Innovationen, die auch wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich waren. Das verbinde ich auch sehr mit den MIP-Veranstaltungen, denn hier haben wir internationale Partnerschaften vereinbart und große Präsentationen veranstaltet, mit denen wir unsere Produkte den internationalen Kunden vorgestellt haben. Oft mit illustrer Unterstützung durch internationale und deutsche Stars.
Frage: An der Côte d’Azur setzen Sie aktuell große Hoffnungen auf die Serie „Zarah – wilde Jahre“, die beim ZDF gefloppt ist…
Antwort: Gute Serien haben in Deutschland nicht selten ein Problem. Von Fachwelt und Kritik hochgeschätzte Reihen finden hier zuweilen nicht das große Publikum. Das spielt international bei unseren Kunden aber in der Regel keine Rolle. Wir sind sicher, dass sich „Zarah“ wegen seiner Qualität auf der MIPCOM gut verkaufen wird.
Frage: Mit welchen Formaten waren Sie bisher besonders erfolgreich?
Antwort: Als wir vor zwölf Jahren die Rechte für „Kommissarin Lund“ über eine Koproduktion erworben und vertrieben haben, wurden wir ausgelacht: Wer schaut sich schon eine dänische Krimiserie an? Heute sind skandinavische Serien aus den deutschen und internationalen Inhalteangeboten nicht mehr wegzudenken. Auch unsere Koproduktion „Die Brücke“ war sehr erfolgreich, nicht nur bei uns, sondern auch als Format in der ganzen Welt. Oder unsere Jugendserien mit australischen Partnern: etwa „Dance Academy“ und „H2O – Plötzlich Meerjungfrau“ – das waren gigantische Erfolge.
Frage: Wie hat sich die internationale Nachfrage nach deutschen Serien und Fernsehfilmen entwickelt?
Antwort: Unsere Inhalte waren schon immer attraktiv. Wenn ich an meine Anfänge zurückdenke, erinnere ich mich an globale Erfolgsstorys wie „Derrick“, „Die Schwarzwaldklinik“, „Terra X“ oder die Guido-Knopp-Reihen, die in den wichtigen Märkten echte TV-Ereignisse waren. Auch das Unterhaltungsformat „Wetten, dass..?“ haben wir praktisch rund um den Globus in über 40 Territorien lizensiert. Und für eine große Eventproduktion aus der letzten Zeit, „Ku’damm 56“, gab es ebenfalls eine große internationale Nachfrage.
Frage: Durch die großen Internetportale hat sich auch das Geschäft mit der Ware Fernsehen verändert…
Antwort: Das ist für uns doppelt gut. Wir sind ja auch Produzenten, und wenn die Nachfrage nach hochwertigen Produktionen steigt, gibt es mehr zu tun. Und als Vertrieb steigt für uns auf der anderen Seite die Anzahl der Abnehmer.
Frage: Aber was bedeutet das für Ihre Muttergesellschaft, das ZDF, wenn immer mehr Zuschauer ins Netz abwandern, um sich dort Filme und Serien anzuschauen?
Antwort: Lineares Free-TV wird noch Jahrzehnte existieren. Es ist schon oft totgesagt worden, etwa bei der Einführung von Pay-TV oder beim Aufkommen von Videorekordern. Meine Nachfolger werden noch lange gute Geschäfte mit den klassischen Fernsehsendern machen. Noch nie ist ein altes Medium durch ein neues Medium völlig verdrängt worden. Allerdings müssen alle Programmanbieter mittlerweile auch mit Abrufangeboten im Internet präsent sein. Das macht ja gerade das ZDF sehr gut.
Frage: An was erinnern Sie sich in Ihrer Laufbahn nur ungern zurück?
Antwort: Ich bedaure es noch heute, dass „Germany’s Gold“ als kommerzielles Online-Angebot von deutschen Produzenten, ARD-Vertriebstöchtern und uns nicht zustande gekommen ist. Damit haben wir dieses Feld Anbietern wie Netflix oder Amazon überlassen müssen.
ZUR PERSON: Alexander Coridaß wurde 1954 in Frankfurt geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und Publizistik in Mainz und Dijon sowie Promotion war Coridaß ab 1985 zunächst im Justiziariat des ZDF tätig, bevor er 1991 die Leitung des Programmvertriebs übernahm. Ab 1992 war er Bereichsleiter Vertrieb bei ZDF Enterprises und wurde 1998 zum Geschäftsführer berufen.
[Wilfried Urbe]
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