Thomas Gottschalk hat mit einem netten Plauderabend seinen Einstand bei der ARD gegeben. 4,34 Millionen Zuschauer schalteten die neue Show „Gottschalk Live“ ein. Doch die Wohnzimmeratmosphäre wurde empfindlich von aufdringlichen Werbepausen gestört.
Jeder kennt das: Man sitzt nett zusammen im Wohnzimmer und plaudert, doch dann bimmelt das Telefon oder der Nachbar klingelt oder die Kinder quengeln – der Gesprächsfluss, die Stimmung sind dahin. So ähnlich müssen sich am Montagabend viele der 4,34 Millionen Zuschauer gefühlt haben, die Thomas Gottschalks Premiere am ARD-Vorabend geschaut haben. Denn die nette, hier und da witzige und von Gottschalk als „Wohlfühl-Halbe-Stunde“ versprochene Sendung „Gottschalk Live“ wurde von drei eng aneinander gequetschten, schlecht eingepassten Werbeblöcken zerschnitten – inklusive Wetter.
Auf den Facebook- und Twitter-Seiten der Sendung war das auch der Hauptkritikpunkt: „Bin gespannt ob er morgen auf die Kritik eingeht. Die Werbung ist echt nervig!“, schrieb einer. „Das lockere Plaudern ist super. Die Werbung nervt extrem“, ein anderer. Und: „Die Werbung zerstört alles!!!!!!“
So wurde Michael „Bully“ Herbig, Gottschalks erster Gast, zweimal rüde von der Titelmusik („Bohemian Like You“ von den Dandy Warhols) unterbrochen, weil Gottschalk den Reklame-Break einfach nicht in sein Moderationsschema eingepasst hatte. Die Werbung gehört zum Vorabend aber einfach dazu. Nur bis 20 Uhr dürfen die öffentlich-rechtlichen TV-Sender mit Werbung zusätzlich zu den Rundfunkgebühren etwas dazuverdienen – die Werbeeinnahmen finanzieren so das Vorabendprogramm. Und bei „Gottschalk Live“ bringt ein 20-Sekunden-Spot immerhin bis zu 13 200 Euro brutto.
Doch kann man Werbung auch besser in ein Programm einpassen, als am Montagabend geschehen. Das hat auch die ARD erkannt. Bei der Werbung gebe es Optimierungsbedarf, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Die Reklameblöcke sollen flexibler gestaltet werden. „Wir werden hier auf jeden Fall rasch reagieren“, erklärte ein ARD-Sprecher.
Ansonsten bot Gottschalk das, was man von ihm erwarten konnte: Lockere Unterhaltung, nette Anekdoten, leichte Plauderei in weißen Hotel-Pantoffeln, die Herbig als Gastgeschenk mitgebracht hatte. Vielleicht war ein bisschen zu viel Gottschalk in „Gottschalk Live“, denn der Altmeister sprach vor allem über sich und seine Sendung – aber das kann bei einer Premiere durchaus vorkommen.
Über die Einschaltquote konnte sich die ARD jedenfalls mächtig freuen: 4,34 Millionen Zuschauer bedeuteten 14,3 Prozent Marktanteil. Ein Superwert für den mauen Vorabend im „Ersten“, der im vergangenen Jahr bei durchschnittlichen 8,4 Prozent Marktanteil (18 bis 20 Uhr) vor sich hindümpelte. Aber eine Verjüngung schaffte der 61-jährige Gottschalk trotz der frühzeitigen Einbindung sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter nicht: Nur 6,7 Prozent der 14- bis 49-Jährigen schauten zu, das ist ARD-Schnitt.
Und die paar aus der Internetgemeinde, die dabei waren, äußerten sich häufig überkritisch – auch ein bekanntes Web-Phänomen. Twitter-Nutzer @videopunk bilanzierte die Sendung so: „Alte Männer, die aufs Internet starren.“ Dabei war Gottschalk auch gar nicht als Jungbrunnen angetreten – so sagte er am Montagabend mit Blick auf die Social-Media-Einbindung der Sendung: „Der ältere ARD-Zuschauer wird langsam von mir an diese Themen herangeführt.“ Und der war zuhauf dabei: 22,9 Prozent der Fernsehzuschauer über 65 Jahre saßen virtuell in Gottschalks neuem Wohnzimmer.
Und das hat durchaus die Chance, einen festen Platz im Fernsehgefüge einzunehmen. Das Studio strahlt mitten im Herzen Berlins gleichzeitig Großstadtflair und Gemütlichkeit aus; Gottschalk kann mit Selbstironie, Improvisation und spontanem Witz immer noch viele Zuschauer begeistern – er muss sich nur mehr darauf verlassen und darf weniger der Aufsager von Gagschreiber-Sprüchen sein. [Patrick T. Neumann/su]
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