Er wollte das Vorabendprogramm der ARD geradezu revolutionieren, neuen Schwung in die so genannte Todeszone bringen, doch er scheiterte. Nach nicht einmal einem halben Jahr trug Entertainer Thomas Gottschalk seine Show „Gottschalk Live“ am gestrigen Mittwoch (6. Juni) zu Grabe. Der Leiche geht es aber hervorragend.
Für Thomas Gottschalk ist erst einmal Schluss. Der große Samstagabendunterhalter ist im Vorabendprogramm gescheitert. Zu wenige Zuschauer wollten seine halbstündige Plaudersendung „Gottschalk Live“ sehen, die in den letzten Wochen auch gar nicht mehr live war. Der 62-Jährige selbst scheint das nicht allzu schwer zu nehmen. „Es ist keine Beerdigung. Ich bin weder verzweifelt, noch bin ich – wie man sehen kann – tot“, sagt er am Mittwochnachmittag vor der Aufzeichnung seiner letzten Sendung zum Studiopublikum in Berlin-Mitte.
An seiner Beliebtheit bei den Zuschauern kann es kaum gelegen haben, dass er mit seiner Sendung – im ARD-Jargon „ein Experiment“, „ein Wagnis“ – so grandios gescheitert ist. Die gut über 100 Zuschauer klatschen begeistert Beifall, als der Showmaster den kleinen Schuhkarton von Studio im Berliner Humboldt Carré betritt. „Thommy, Thommy“-Rufe erschallen von den braun gestrichenen Wänden, Fußgetrampel lässt die enggestellten Zuschauerbänke erzittern. Das ist nicht inszeniert und nicht gespielt, diese Begeisterung ist echt.
Der „Thommy“, im blauen Jeans-Sakko und mit buntem Schal, badet in dieser Zuneigung, scherzt mit den Leuten („Ihr habt sogar richtige Beerdigungsanzüge an.“) und genießt sichtlich die Huldigungen. Aufregung oder gar Wehmut ist keine zu spüren, eher Erleichterung und der Hang zum Flachs: „Wir haben der Einfachheit halber diesmal alle Zuschauer ins Studio geholt“, sagt er unter den Lachern seiner Fans – jung und alt, Berliner und Touristen, mehr Frauen als Männer.
Das kann er, der letzte große Showmaster-Dino im deutschen Fernsehen: Spontan sein, mit Menschen scherzen – ob es nun der Hollywood-Promi oder die Nachbarin von nebenan ist. Was er nicht kann, wurde in vielen der 70 Sendungen offenbar, die allzu oft quälend langweilig, uninspiriert und zum Fremdschämen unprofessionell wirkten. Vorbereitung auf die Gäste: kaum. Gekonnte Gesprächsführung: Fehlanzeige. Gelungene Überleitung: Mangelware.
So kam es, wie es im brutalen Fernsehgeschäft kommen muss: Nach dem Neu-Effekt mit hervorragenden 4,34 Millionen Zuschauern bei der Premiere am 23. Januar stürzte die Quote zwischenzeitlich bis auf fast eine halbe Million Zuschauer ab. Die Bilanz ist ernüchternd: Im Schnitt schalteten 1,21 Millionen Menschen die fast werktägliche Show um 19.20 Uhr ein. Der Marktanteil erreichte 4,8 Prozent – weit weniger als die Zielvorgabe von mindestens zehn Prozent.
Was kommt nun? Im ARD-Vorabendprogramm werden erst einmal „Brisant“ und „Verbotene Liebe“ gestreckt, die „Heiter bis tödlich“-Krimis laufen weiter – auch nicht gerade mit übermäßigem Erfolg. Die ARD wird also eine weitere Reform ihres Vorabends brauchen.
Doch spannender ist die Zukunft von Gottschalk. Zieht er sich mit Frau Thea nach Malibu zurück? Bleibt er in Berlin und greift noch einmal an? Macht er es sich in München gemütlich, wo er schon mal im Hotel Bayerischer Hof eine Suite eingerichtet hat? Sein Vertrag mit der ARD läuft noch, über Abendshows wurde immer wieder mal gemunkelt, jedoch nichts Substanzielles gesagt.
Bedarf hätte die ARD: Die Spielshow „Opdenhövels Countdown“ mit Neuzugang Matthias Opdenhövel dümpelt nach drei Ausgaben vor sich hin, der Samstagabendklassiker „Verstehen Sie Spaß?“ mit Guido Cantz läuft zwar nicht schlecht, aber auch nicht hervorragend – und einen Shownachfolger für den zum ZDF gewechselten Jörg Pilawa hat die ARD immer noch nicht. Bleibt die Frage, ob Gottschalk außerhalb des „Wetten, dass..?“-Kosmos funktioniert – und mit welchem Format? Auch der Wechsel zu einem anderen Sender könnte eine Option sein.
Der Entertainer selbst klang zum Schluss seiner „Gottschalk Live“-Show jedenfalls nicht am Ende: „Sie werden noch von mir hören!“, rief er in die Kamera. Und als die aus war, wandte er sich nochmal an die Studiogänger, die eifrig Autogramme sammelten: „Das war doch eine würdige Beerdigung. Die Leiche lebt.“[Patrick T. Neumann/fm]
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