Nicht nur ein Quotenerfolg für RTL Zwei: Die erste Folge von „Kampf der Realitystars“ verspricht ein erstes Trash-Highlight im Jahr 2021.
Bei RTL Zwei herrscht offenbar vorsichtige Feierstimmung. Einen Tagesmarktanteil von 6,2 Prozent teilte der Sender heute mit. Bis zu 1,36 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten gestern Abend, wie eine Schar Realitystars an Thailands Traumstrand ankam, um die Sendezeit für die kommenden Wochen zu gestalten. Man möchte RTL Zwei zur Auswahl der Stars gratulieren. Für die zweite Staffel von „Kampf der Realitystars“ hat man einen großen Teil des Who-Is-Who der Trash-TV-Szene nach Thailand gekarrt. Claudia Obert ist unter anderem dabei, Weinliebhaberin, Societylady und wandelndes Internet-Meme. Sie zieht zuerst in das Feriendomizil, RTL Zwei hat genau verstanden, was das Publikum sehen will. Die ersten zehn Minuten ihres Einzugs sind bereits unterhaltsamer als alles, was Trash-Fans in diesem Jahr bislang ertragen mussten.
Was den Cast von „Kampf der Realitystars“ so interessant macht, ist genau jene Mischung, die man insbesondere im RTL-Dschungelcamp, aber auch in einem Format wie „Promi Big Brother“ zuletzt schmerzlich vermisst hat. Ja, auch in diesem thailändischen Trash-Domizil tummeln sich Nachwuchs-„Stars“ wie der Sohn von Jenny Elvers oder die Influencerin Jenefer Riili: Persönlichkeiten, die auf keine fernsehtaugliche Karriere oder Lebensgeschichte zurückblicken können. Die sich, kaum noch zu unterscheiden, gläsern im Internet zur Schau stellen, als ob es da irgendetwas Interessantes zu entdecken gäbe. Während andere Formate mit solchen eher erschöpfenden Medien-Persönlichkeiten ganze Staffeln füllen, sind sie bei „Kampf der Realitystars“ eher Lückenfüller für die großen TV-Profis, von denen bereits die Auftaktfolge so einige an den Strand gespült hat.
Die Champions League des Trash
Da ist etwa Narumol von „Bauer sucht Frau“, bekannt für ihren Satz „Ich bin fick und fertig!“, quasi ein unentdecktes Juwel für ein solches Format. Eine herzliche Frohnatur, ein Charakterkopf und eine, die sich erst noch zurechtfinden muss in dieser Welt aus Realitystars, die genau wissen, welche Rollen sie offen zu demonstrieren haben. Menschen wie sie waren schon immer Glücksgriffe für die Gruppendynamik in einem solchen Format, in diesen Zwischenwelten aus Karriereanfängen, Karriereenden und fatalen Karrierebrüchen. Andererseits beweist RTL Zwei Mut zum Anstrengenden. Walther von „Traumfrau gesucht“ nimmt teil, ein Selbstdarsteller per excellence und laut eigenen Aussagen circa so prominent wie der Präsident der USA. Gleich in der ersten Folge wütet er brüllend durch das Studio, weil er sich um Würde und Sendezeit beraubt fühlt.
Oder Prinz Frédéric von Anhalt, der mit „Sie“ angesprochen werden möchte und den Laden vom ersten Auftritt an gekonnt gegen sich aufbringt. Das alles im selbst auferlegten Auftrag der Show. Für alle Neulinge: Frédéric von Anhalt sorgte einst für Aufsehen, weil er in einer anderen Sendung in den Badezuber von Kader Loth urinierte. Wie praktisch, dass Frau Loth bald ebenfalls am Strand auftauchen wird.
Alte Konflikte in neuem Setting
RTL Zwei beweist das richtige Gespür für solche explosiven Wiedervereinigungen. Sängerin Loona trifft etwa auf ihre angebliche Affäre Gina-Lisa Lohfink, die in der ersten Episode (wie gewohnt) die meiste Zeit am Weinen ist. Der Ex-Bachelor Andrej Mangold wird bald seinem „Sommerhaus“-Rivalen Chris Broy erneut begegnen. Zugegeben, da ist viel Altbekanntes an Geschichten dabei, das nun noch einmal recycelt und aufgewärmt wird. Aber gut, der Archäologe sagt natürlich auch nicht Nein, wenn er zwanzig Mumien auf einmal findet.
Ein wunderbar belangloses und konstruiertes, berechnendes, aber auch unverschämt unterhaltsames Pulverfass, das der Sender da zusammenbaut. Mit dem Überschuss an Stars, die in jeder Folge neu einziehen, bis das kleine Domizil fast aus allen Nähten platzt, führt RTL Zwei das Reality-Fernsehen ad absurdum. Das ist wie eine gigantische Fressorgie, bei der man irgendwann völlig übersättigt in sich zusammensackt, aber dann doch noch zum nächsten Törtchen greift. Das ist wie ein Mülltonne, die immer weiter gefüllt wird und jeden Moment platzen könnte. Dieses Potpourri aus TV-Profis, inszeniertem Drama, peinlichen, aber effektiven Gruppenspielen, gigantischem Kindergeburtstag und einer Überdosis möglichst schriller Trash-Prominenz scheint nach diesem harmlos-irrwitzigen Auftakt bestens aufzugehen.
Neues Skandal-Potential?
Und man muss festhalten: So spannend war Trash-TV allein in seiner Konzeption lange nicht. Schließlich ging in den vergangenen Monaten mehrfach ein Beben durch die Branche. Erst der Skandal um „Promis unter Palmen„, dann das nicht enden wollende Mobbing im „Sommerhaus“, dann erneut ein Skandal um „Promis unter Palmen“ nebst vorzeitigem Abbruch haben ihre Spuren hinterlassen. Während RTL und Sat.1 Besserung gelobten und am familienfreundlichen Image polieren wollen, könnte RTL Zwei Skrupellosigkeit beweisen und in eine Nische vorstoßen, die ein Reality-Fernsehen weiterhin bis zum Äußersten ausreizt, mit allen einkalkulierten und provozierten Entgleisungen.
Zwar verkündete man bereits im Vorfeld, dass kein Mobbing in der Show stattfinden werde. Inwiefern sich die Büchse der Pandora bei dieser zündelnden Besetzung allzu leicht schließen ließ und lässt, bleibt zumindest eine interessante Frage für die kommenden Wochen. Das ist ein spannender Transitraum, in dem sich solche Formate aktuell befinden. Ganz ohne Konflikt geht es nicht, das haben die zwei ausgestrahlten „Promis unter Palmen“-Folgen jüngst bewiesen. Besetzt man rein nach Konfliktpotential, werden schnell zu viele Grenzen überschritten, auch das konnte man bei „Promis unter Palmen“ sehen. Sicher ist gerade nur, dass es kein Aussteigen zu geben scheint. Der nächste Promi kommt bereits am Horizont angeschippert.