Als Fußballer hat Lothar Matthäus viel erreicht, seit dem Ende seiner Karriere macht er dagegen eher mit seinem Privatleben Schlagzeilen. Während der Fußball-EM sitzt er nun als Experte beim britischen Sender ITV vor der Kamera – und fällt durchaus auf.
Ein Lothar Matthäus putzt sich für den Auftritt im Fernsehen gerne etwas heraus. Schicker schwarzer Anzug, schwarzes Hemd und ein violettes Einstecktuch, das keck aus der Brusttasche des Jacketts hervorlugt. So sitzt der 55-Jährige während der Fußball-EM in Frankreich im Studio des britischen Privatsenders ITV und plaudert engagiert mit einstigen englischen Fußballgrößen.
Ein Lothar Matthäus hat keine Angst, sich zu blamieren. Mit seinem zuweilen putzigen Fränkisch-Englisch redet er munter drauflos. Der Wortschatz ist eher knapp, Nebensätze sind eher selten. Das englische Fußball-Fachvokabular aber hat der Weltmeister von 1990 inzwischen locker drauf und benutzt es eifrig.
Ein anderer als Matthäus würde sich das bei diesen Vorkenntnissen wahrscheinlich gar nicht trauen. Sich in ein Fernsehstudio zu setzen und in Englisch über Fußball zu parlieren. Und sich dann auch noch mit einheimischen Experten vor laufender Kamera in Diskussionen zu stürzen.
In seiner Heimat nehmen den einstigen Weltfußballer viele Fußballfans nur noch bedingt ernst. Das hat zum einen wohl mit seinem vielseitigen Liebesleben zu tun, das er durchaus öffentlich auslebt. Zum anderen wohl mit seinen mäßig erfolgreichen Versuchen, nach der großartigen Laufbahn als Fußballer eine ebensolche Karriere als Trainer zu starten. Nach den letzten Kicks bei den Metro Stars in New York absolvierte er sieben Trainer-Stationen in zehn Jahren, darunter bei CA Paranaense und Maccabi Netanja – mit überschaubarem Erfolg.
Nicht mitgezählt ist dabei sein Traineramt bei Borussia Banana, das er zwischenzeitlich für den Sender RTL2 übernahm. Dass es ihn durchaus in die Öffentlichkeit zieht, davon zeugte auch die Vox-Sendung „Lothar – immer am Ball“.
Ein Lothar Matthäus lässt sich davon nicht unterkriegen. Er hat sich ein neues Betätigungsfeld im Fußball erarbeitet. Zu den Anfängen gehörten wechselnde Gastspiele bei deutschen Sendern. Für Aufsehen sorgten die Auftritte während der WM 2010 in Südafrika für den katarischen Sender Al Jazeera. Als „Lothar von Arabien“ versorgte er die TV-Zuschauer im arabischsprachigen Raum mit seinen Meinungen und Einschätzungen, übte dabei sein Englisch.
Bei der WM in Brasilien vor zwei Jahren arbeitete Matthäus für O Globo, wurde simultan übersetzt und gelobt. Seit 2012 arbeitet er regelmäßig als Experte beim Pay-TV-Sender Sky. Auf Deutsch, doch Fernsehpreise wird er voraussichtlich nicht gewinnen.
In Großbritannien wird er mehr geschätzt. Auch wenn britische Zeitungen gemein sein können. Wie der „Guardian“, der lästerte, sein Akzent sei so „dick, dass man damit Bullen umstoßen“ könne. Der „Telegraph“ nennt ihn „unberechenbar“. Die Kritik deutet insgesamt aber auf Respekt für Matthäus.
Das erinnert ein bisschen an Boris Becker, bei dem den meisten Deutschen – nach Wimbledon – schnell auch das Wort Besenkammer einfällt. Seit vielen Jahren arbeitet der einstige Tennisstar für die BBC und wird mit Komplimenten überhäuft. Für Matthäus und Becker könnte das Sprichwort vom Propheten gelten, der im eigenen Lande nichts gilt. Schließlich wurde Matthäus bei ITV gelobt, dass er einige EM-Ergebnisse richtig vorhergesagt hatte. [Michael Rossmann/fs]
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