Die Verfilmung „Tore der Welt“, dem Bestsellers von Ken Follett, soll, wenn es nach ProSiebenSat.1 und dem österreichischen Rundfunk ORF geht, an den großen Erfolg der ersten Follett-Verfilmung von 2010, „Säulen der Erde“, anknüpfen.
„Los, gehen wir Blut auftragen“, sagt die junge Frau zu ihrer Kollegin. Beide tragen Täschchen mit Schminkutensilien am Gürtel und eilen auch schon davon, zu einem Komparsen, der als verwundeter Krieger für den Historienfilm „Tore der Welt“ vor der Kamera erscheinen soll.Es geht um Krieg, Politik, Sex und Crime im 14. Jahrhundert – das alles aufbereitet nach klassischen Rezepten, die den Zuschauer in eine märchenhaft versunkene Zeit entführen sollen.
Echt ist an diesem Set in Lovasbereny bei Budapest wohl nur der ungarische Wind, der die Lilien-Fahne des französischen Königshauses flattern lässt, und die weiche Wiese mit Dornensträuchern. Hier liegen jetzt Puppen verstreut, die tote Soldaten darstellen sollen. Englands König Edward III. (Blake Ritson) reitet ein in ein französisches Feldlager, das seine Mannen vorher gestürmt hatten, wobei sie einen angrenzenden Fluss zu Pferd durchqueren mussten.
Am Set werden die Pferde an diesem heißen Septembertag ständig mit Wasser bespritzt, damit sie im Film aussehen, als kämen sie geradewegs aus dem Fluss heraus. Der „Fluss“ ist eigentlich ein Teich, den die Produzenten wochenlang vorher chemisch reinigen ließen, weil er voller Blaualgen war, die böse Hautreizungen verursachen können.
An alles hat die Produktion für das Wohlergehen der Crew gedacht. Auch Sanitäter stehen bereit. Heute bekommen sie sogar Arbeit – allerdings ist der Patient kein „Kriegsopfer“ sondern nur ein älterer Komparse mit einem eher alltäglichen Problem: Im Sattel sitzend erwischte ihn plötzlich ein Reißen in der Hüfte.
44 Millionen US-Dollar (rund 33 Millionen Euro) kostet die Mammut-Produktion mit internationalen Stars wie Cynthia Nixon („Sex and the City“), Miranda Richardson („Harry Potter“), Ben Chaplin („Das Bildnis des Dorian Gray“) und Peter Firth („Jagd auf Roter Oktober“). Mit dabei sind auch deutsche Publikumslieblinge wie Nora von Waldstätten („Carlos“), Kostja Ullmann („Groupies bleiben nicht zum Frühstück“) und Hannes Jaenicke („Hindenburg“) – und dazu 100 Statisten.
Daneben steht eine gigantische Materialschlacht – viele der etwa 160 Sets wurden originalgetreu nachgebaut. In der Hügellandschaft bei Budapest steht der Marktplatz samt Kathedrale des mittelalterlichen Fantasie-Schauplatzes Knightsbridge: alles aus Plastik und Holz. Ein paar Schritte weiter steht eine Brücke, die im Film unter der Last einer Menschenmenge zusammenbricht. Monatelang hatten Ingenieure an einer Lösung getüftelt, die dazu führt, dass die Brücke nach ihrem Crash leicht wieder aufgestellt werden kann. Denn schließlich muss in einem Film jede Szene mehrmals, aus mehreren Perspektiven gedreht werden.
Auch die Kostüme und Accessoires waren eine Wissenschaft für sich. Set-Designer Marek Dobrowolski nahm die Bilder der präraffaelitischen Maler aus dem 19. Jahrhundert als Modell, die von den Künstlern aus der Zeit der Filmhandlung beeinflusst waren: der italienischen Renaissance. Auch der Kostümbildner Mario Davignon will mit der renaissancehaften Farbenfreude der Gewänder signalisieren, dass dieser Film in einem neuen Zeitalter spielt: eben nicht im dunklen Mittelalter, in dem der Vorgänger-Film „Säulen der Erde“ angesiedelt ist, dessen Handlung in „Tore der Welt“ weitergesponnen wird. Klar ist auch: Gezeigt wird hier nicht die pure Renaissance, sondern die Sicht auf diese Epoche, die im 19. Jahrhundert geprägt wurde, weil diese dem heutigen Menschen näher ist.
Nähe zum Heute sollen auch die Filmhelden nach dem Willen von Regisseur Michael Caton-Jones herstellen. Auch darin geht er konform mit dem Romanautor Follett. Dieser ist von der Literaturkritik dafür verurteilt worden, dass er seinen in fernen Jahrhunderten agierenden Gestalten realitätsfremd das Seelenleben von Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts aufstülpt, obzwar die anderen Roman-Zutaten – Architektur, Technik, Kostüme, Accessoires – akribische Suche nach historischer Wahrhaftigkeit verrieten. Dagegen behauptet Caton-Jones: „Die Psychologie des Menschen ist konstant“, also unbeeinflusst von der Epoche. [Kathrin Lauer, mho]
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