Ein Torhüter kann mit einer gelungenen Parade zum großen Held werden oder mit einem Patzer zum großen Verlierer. Die Doku „Die Nummer Eins“ versucht, diese Herausforderung genauer zu beleuchten. Präsentiert wird unter anderem ein selbstkritischer Oliver Kahn.
Kann Manuel Neuer in Russland spielen? Zwischen dem Ende der Bundesliga-Saison und dem Beginn des Trainingslagers der deutschen Nationalmannschaft in Eppan in Südtirol stand diese Frage im Mittelpunkt. Denn die Position im Tor, als Nummer eins, sie ist eine besondere. „Wenn Du ein super Torhüter sein willst, musst Du verrückt sein“, sagt Sepp Maier, der als deutscher Torwart in den 1970er Jahren Welt- und Europameister wurde. Das Erste widmet den Männern zwischen den Pfosten am Freitag (22.00 Uhr) die 90-minütige Dokumentation „Die Nummer Eins – Deutschlands große Torhüter“ – und behandelt dabei die psychische Belastung der Schlussmänner.
Dabei stehen dem Macher Gerhard Schick neben Neuer und Maier auch Oliver Kahn, Jens Lehmann und Toni Schumacher Rede und Antwort. Sie berichten von ihren Erfolgen, vom stetigen Konkurrenzkampf und von den Momenten, in denen das Adrenalin überschäumt. Schließlich leben die Keeper mit der ständigen Erwartung, sich den anstürmenden Gegnern entgegenwerfen zu müssen, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. „Ich wollte nie wegen einem gebrochenen Finger nicht spielen. Da waren ja noch neun andere“, scherzt da etwa Toni Schumacher.
Filmemacher Gerhard Schick geht es in der Doku dabei ganz offensichtlich nicht um eine Chronik der Karrieren seiner Gesprächspartner. Vielmehr versucht die Doku, die außergewöhnliche Herausforderung der Keeper herauszuarbeiten. So kommt auch Teresa Enke, Witwe des ehemaligen Nationalkeepers Robert Enke zu Wort. Sie berichtet ausführlich über die Karriere und die Gedanken ihres Mannes, der sich am 10. November 2009 das Leben nahm.
Der Film wird dabei an vielen Stellen von den fünf Torhütern und Teresa Enke getragen, die alle teils sehr offenherzig über ihre Erfahrungen berichten. Vor allem Oliver Kahn scheint sich mit dem Wesen des Torhüters, mit seiner eigenen Karriere und seinen Macken kritisch auseinandergesetzt zu haben. „Diese Aggression, die man in Phasen von Spielen mit mir in Verbindung gebracht hat, war für mich immer das Signal: So, hier bist du jetzt wieder an einem Punkt, hier schaffst du es jetzt nicht mehr, allen Ansprüchen gerecht zu werden“, erklärt der 49-Jährige durchaus selbstkritisch.
Dennoch schafft es die Dokumentation nicht, die Kernfrage, was in einem Torwart vorgeht, konsequent im Mittelpunkt zu behalten. Immer wieder neigt Macher Schick dazu, doch eine historische Chronik aus seinem Film zu machen – wohl nicht zuletzt, um emotionale Szenen der Weltmeisterschaft von 1974, 2006 und 2014 unterzubringen.
Besonders im Kapitel zur Weltmeisterschaft 1974 mit dem glücklichen Ende für die deutsche Mannschaft steht nicht Maier, sondern das gesamte Team im Mittelpunkt – die Sequenzen könnten in jeder Doku über die Historie der deutschen Nationalmannschaft laufen. Auch die ausführliche Darstellung des Schalker Pokalsiegs 2011, kurz vor Neuers Wechsel zum FC Bayern, irritiert. Das Finale der Schalker gegen den MSV Duisburg (5:0) gilt für gewöhnlich nicht als von den Torhütern dominierte Partie.
Dem Film fehlt dadurch letztlich die Tiefe, die Konzentration auf das Wesentliche geht allzu oft verloren. Kahn, Neuer, Lehmann, Schumacher und Maier wäre das sicher nicht passiert.
[Fabian Nitschmann]
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