Fast 34 Jahre gehörte „Wetten, dass…?“ als fester Punkt zum deutschen Fernsehen. Doch nun hebt sich für die Unterhaltungs-Show, die laut ZDF-Programmdirektor Himmler ihre Alleinstellungsmerksmale und dadurch auch an Zugkraft beim Publikum verloren hat, ein allerletztes Mal der Vorhang.
Es wird einer der historischen Augenblicke im deutschen Fernsehen sein, wenn Markus Lanz an diesem Samstag zum letzten Mal die große „Wetten, dass..?“-Bühne betritt. Noch einmal lässt er seine Kandidaten antreten. Zum letzten Mal bittet er seine prominenten Gäste darum, bei den Wetten die Daumen nach oben und nach unten zu richten. Um 22.45 Uhr, so sieht es die Programmplanung vor, ist dann Schluss mit der prominentesten deutschen Fernsehshow. Fast 34 Jahre gehörte sie zum ZDF genauso wie die Mainzelmännchen.
Zu den Gästen in Nürnberg werden nicht, wie ursprünglich einmal geplant, die ehemaligen Moderatoren gehören. Showerfinder Frank Elstner (72), der das einstige Flaggschiff 1981 aus der Taufe hob, verzichtet auf seine Präsenz ebenso wie Thomas Gottschalk (64), mit dem die Sendung ihre besten Zeiten erlebte und der vor exakt drei Jahren abtrat. Auch Wolfgang Lippert, kurzzeitig 1992 und 1993 dabei, kommt nicht.
Die Sendung ist allerdings heute nur noch ein Schatten von einst, dafür ist sie noch genauso teuer mit mehr als zwei Millionen Euro pro Ausgabe. Die Quoten sind dramatisch gesunken. Gottschalks Abtritt vor drei Jahren interessierte noch fast 15 Millionen Zuschauer, auch den Start von Nachfolger Lanz sahen im Oktober 2012 noch 13,6 Millionen Neugierige. Danach begann der dramatische Verfall mit zuletzt 5,5 Millionen.Alleinstellungsmerkmale verloren
DF-Programmdirektor Norbert Himmler erklärt die mangelnde Zugkraft mit dem Verlust an „Alleinstellungsmerkmalen“. „Keine Frage, ‚Wetten, dass..?‘ ist ein prägender Teil unserer Fernsehgeschichte, aber in den letzten Jahren hat sich doch einiges sehr nachhaltig verändert“, sagte Himmler der Nachrichtenagentur dpa. „Hollywoodstars brachte früher nur ‚Wetten, dass..?‘ in die Wohnzimmer.“ Das hat sich radikal geändert. Und auch „besondere Talente gibt es beim ‚Supertalent‘ am Fließband zu sehen“, so Himmler.
Möglicherweise haben auch die Negativ-Ereignisse rund um die Show, die sie wie ein Schatten einhüllten, dem Klassiker auch nachhaltig geschadet. Unvergessen ist der tragische Unfall des jungen Wettkandidaten Samuel Koch, der im Dezember 2010 beim Versuch, mit Sprungfedern über Autos zu hüpfen, so schwer stürzte, dass er für immer gelähmt blieb. Der ständige Schleichwerbeverdacht in Verbindung mit der bei „Wetten, dass..?“ eingebundenen Firma dolce media von Gottschalks Bruder Christoph hinterließ einen Nachgeschmack.
Nicht allein „Wetten, dass..?“ stirbt – auch andere Shows hat der Fluch dieses Jahr getroffen, bei ihnen handelte es sich aber fast ausschließlich um Neuentwicklungen. Zwei ProSieben-Reihen („Millionärswahl“, „Keep You Light Shining“) scheiterten ebenso wie RTL mit „Rising Star“. Auch Michelle Hunziker hatte beim ZDF mit ihrer „Überraschungsshow“ keinen Erfolg. Ungerührt zeigt sich ProSieben-Aushängeschild Stefan Raab mit all seinen Ideen, auch der ARD-Klassiker „Verstehen Sie Spaß?“ hält sich ordentlich.„Lagerfeuereffekt“
Dass das Ende von „Wetten, dass..?“ nach 215 Ausgaben ein Einschnitt von gesellschaftlicher Bedeutung ist, ergibt sich aus der Haltung prominenter Wegbegleiter: „‚Wetten, dass..?‘ hat über viele Jahre von der Oma bis zum Enkel die ganze Familie vor dem Fernseher versammelt und über die Sendung wurde am nächsten Tag fast überall geredet“, sagte Moderator Günther Jauch der dpa. „Das bleibt ein großes Verdienst – heute schaffen diesen ‚Lagerfeuereffekt‘ oft nur noch große Sportereignisse.“
Auch der Hausherr in Nürnberg, Oberbürgermeister Ulrich Maly, trauert der Show hinterher. Sie habe ihm „beim Großwerden begleitet“, sagte Maly. Der Abschied sei auf jeden Fall eine „Zäsur – Die Sendung werden viele vermissen.“ Und es sei immer schön, „wenn die Sendung aus Nürnberg kommt, aber für den Fernsehzuschauer sieht sie ja letztlich immer gleich aus – egal, aus welcher Stadt sie kommt.“ZDF schaut nach vorn
Vergleichsweise zurückhaltend äußert sich Thomas Gottschalk, der die Sendung von 1987 bis 2011 mit einer kurzen Unterbrechung präsentierte: „Mit dem ZDF habe ich vereinbart dass ich mich zum Ende von ‚Wetten, dass..?‘ nicht äußere und finde eine Beerdigung im kleinen Kreis auch angemessener als ein Staatsbegräbnis.“
Zeugen des „Begräbnisses“ sind am Samstag unter anderem die ARD-„Tatort“-Kommissare Til Schweiger, Wotan Wilke Möhring und Jan Josef Liefers sowie die Komiker Michael („Bully“) Herbig und Otto Waalkes und Hollywood-Schauspieler Ben Stiller, die bei Lanz auf der Couch Platz nehmen werden.
Das ZDF richtet seinen Blick schon nach vorne, denn auch ohne Unterhaltungschef – Oliver Fuchs musste im Sommer nach dem Skandal um manipulierte Rankingshows gehen – laufen die Planungen auf Hochtouren. Erste Resultate gibt es schon. „Es wird nicht das eine Nachfolgeformat geben“, sagte Programmdirektor Himmler. „Wir werden im Frühjahr die ersten neuen Shows auf den Schirm bringen.“[fm/Carsten Rave]
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