Kommunist Horst Brasch steigt in der DDR in höchste Kreise auf. Seine Frau Gerda hingegen wird im Sozialismus nie heimisch. Dann gerät ihr Sohn Thomas zum Shooting-Star der Ost-Literatur. Eine Spurensuche.
Es sind drei Generationen, die die Höhen und Tiefen der deutschen Politik in ihrer eigenen Familie austragen müssen. Regisseurin Annekatrin Hendel porträtiert in ihrem Film «Familie Brasch – eine deutsche Geschichte» am Mittwoch (9.10.) um 22.45 Uhr im Ersten eine ungewöhnliche Dynastie. Um Spannungen zwischen Ost und West, Kunst und Politik, Kommunismus und Religion, Liebe und Verrat, Utopie und Selbstzerstörung geht es in dieser Geschichte.
„Ich bin die letzte, die sie erzählen kann“, sagt die Radiojournalistin Marion Brasch, Tochter des DDR-Funktionärs Horst, Schwester des Schriftstellers Thomas. Auf einer Lesereise an der US-Ostküste beginnt die damals 57 Jahre alte Autorin über das Leben ihrer Eltern und der drei großen Brüder zu berichten. Keiner von ihnen ist heute mehr am Leben.
Ins Zentrum ihres Films stellt Regisseurin und Produzentin Annekatrin Hendel den Konflikt zwischen dem linientreuen Vater und den eigensinnigen Kindern. Zu Wort kommen dabei auch Weggefährten wie Schauspielerin Katharina Thalbach, Liedermacherin Bettina Wegner, Schriftsteller Christoph Hein oder Regimekritiker Florian Havemann.
Hendel betont die Zäsuren. 1938, 1945, 1968, 1976, 1989. Jahreszahlen prangen groß über den Szenen. Sie zeigen: Hier geht es um mehr als einen Familienzwist. Nämlich auch um die Brüche eines Landes, das einmal ein ganzes war, dann zwei halbe und dann wieder ein ganzes. Der Untertitel „Eine deutsche Geschichte“ spielt darauf an.
Der Jude Horst Brasch muss 1938 Nazi-Deutschland verlassen. In London wird er zum Kommunisten und lernt Gerda Wenger kennen. Bevor sie nach dem Krieg in die Sowjetische Besatzungszone übersiedeln, wird Thomas geboren. In der DDR kommen Klaus und Peter zur Welt. Marion, die Jüngste, hat 2012 bereits einen Roman über ihren Clan geschrieben.
Die politischen Umstände machen die Braschs zu einer Familie der Gegensätze: Der Vater macht als Anhänger des Aufbau-Sozialismus in Berlin politisch Karriere und steigt bis zum stellvertretenden Kulturminister auf. Gerda, die Wiener Jüdin, scheint hingegen an der Kleinheit des sozialistischen Staates zu verkümmern.
1968, als die Sowjetunion und ihre Verbündeten Panzer gegen die Demokratie nach Prag schicken, reißt das Familiengefüge der Braschs vollends auf. Thomas demonstriert gegen die Besetzung und wird in Haft genommen. Seine Version: Der eigene Vater habe ihn angeschwärzt. Horst verliert seinen Posten und muss als Funktionär für einige Jahre nach Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz). Thomas wird ein begnadeter Schriftsteller, der stets den Aufruhr in sich trägt. 1976 verlässt er das Land.
Das Verdienst der Regisseurin ist es, dass sie auch den beiden anderen Brüdern Platz einräumt. Gern hätte man noch mehr erfahren. Klaus fällt als Befehlsverweigerer in Ungnade. Er macht sich als Schauspieler („Solo Sunny“) einen Namen. Peter muss wegen Protesten das Studium abbrechen, wird Produzent von Kinderhörspielen. „Familie Brasch“ ist mehr als ein Porträt. Es zeigt vielmehr, was passiert, wenn historische Konflikte die kleine Welt einer Familie diktieren.
Am Ende sieht man aber, wie nah beieinander Horst und Thomas doch sind. Als sie sterben, trauern jeweils ganze Welten. Der Vater wird kurz vor dem Mauerfall vor den Augen von DDR-Oberen auf dem Ehrenfriedhof der Sozialisten beerdigt. Zum Begräbnis des Sohnes finden sich 2001 Schauspielgrößen wie Christoph Waltz und Otto Sander ein. Auch wenn Thomas einmal über seine Eltern schrieb, „ich wollte die Liebe nicht, weil ich wusste, gleich wird sie mir wieder genommen“, waren sich Vater und Sohn wohl gar nicht so unähnlich.
[dpa/rs]
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