Mit dem Start der Fußball-WM geht die aktuelle TV-Saison zu Ende – und die blickt auf einige Turbulenzen zurück. Zu den größten Verlierern zählt neben der Politik und den immer mehr schwächelnden Casting-Shows vor allem das ZDF-Flaggschiff „Wetten, dass…?“, das noch in diesem Jahr eingestellt wird.
Start der Fußball-WM bedeutet Ende der normalen TV-Saison: Trotz vieler Ereignisse geht vor allem ein Moment des TV-Jahrs 2013/14 in die deutsche Fernsehgeschichte ein: das „Wetten, dass..?“-Aus, das Markus Lanz am 5. April verkündete. Nur noch drei Ausgaben der Samstagabendshow gibt es nach der Sommerpause, die wegen der WM etwas früher beginnt.
Neben dem Ende des ZDF-Klassikers scheinen die anderen TV-Themen seit vergangenem August fast zu verblassen: etwa der RTL-Dschungelcamp-Erfolg, die beliebten ARD-„Tatort“-Krimis, der wohl endgültige Late-Night-Abschied von Harald Schmidt oder der Satire-Siegeszug der ZDF-„heute Show“. Für viel Aufsehen sorgte zu Ostern die Premiere des neuen Studios von ARD-aktuell für „Tagesschau“ und „Tagesthemen“.
Fast schon vergessen sind die App-Pannen bei Jörg Pilawas „Quizduell“ im ARD-Vorabend, die Online-Petition gegen Markus Lanz nach einem Talkshow-Interview mit der Linken Sahra Wagenknecht oder das barsche „heute journal“-Gespräch von Marietta Slomka und SPD-Chef Sigmar Gabriel über den Mitgliederentscheid zur großen Koalition.
Aufsehen erregte das angebliche China-Video, mit dem Jan Böhmermann („Neo Magazin“) den altgedienten Humor-Kollegen Stefan Raab („TV Total“) reinlegte. Oder die Blamage von Waldemar Hartmann beim RTL-Quiz „Wer wird Millionär?“: Sport-Experte „Waldi“ meinte, Deutschland habe noch nie einen Fußball-WM-Titel im eigenen Land gewonnen.
Viel Aufmerksamkeit in den Medien erhielt das Anfang Juni ausgestrahlte „Wer wird Millionär?“-Prominentenspecial: Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach wollte seine Kontakte nutzen und Bundeskanzlerin Angela Merkel als Telefonjoker anrufen. Doch bei der Regierungschefin ging zweimal nur die Mailbox an.Problemfall Casting-Shows
Nicht nur das Ende von „Wetten, dass..?“, auch das Schwächeln der Liveshows bei den Castingreihen „Deutschland sucht den Superstar“, „The Voice of Germany“ oder „Germany’s Next Topmodel“ mit Heidi Klum zeigt den Fernsehmachern nach dieser Saison: Die Zuschauer scheinen den früher beliebten Live-Charakter weniger zu schätzen als früher. Ausnahmen sind natürlich Sportübertragungen oder der Eurovision Song Contest.
Mit geschnittener Dramaturgie und Dichte entsteht oft ein größerer Soap-Faktor. Und den mögen viele Zuschauer offenbar. Bestes Beispiel ist und bleibt die RTL-Dschungelshow „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“, die – pointiert bearbeitet und zeitversetzt gesendet – im Januar wieder Quoten-Maßstäbe gesetzt hat.
Das gesunkene Interesse vor allem an den „DSDS“-Liveshows ließ sogar RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger einräumen: „Live hat zwar einen größeren positiven ‚Druck‘, aber die Zuschauer wollen völlig zu recht einfach gutes Fernsehen – und das ist in manchen Formaten live einfach schwieriger zu machen.“ Obwohl RTL dann Ende Mai mit dem Finale der siebten „Let’s Dance“-Staffel erstaunlich gut abschnitt.
Die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher sagt: „Die Krise der Live-Shows ist keine Krise des Live-Charakters selbst, sondern der wenig innovativen Showformate im Bereich Casting, Quiz oder Games.“ Sie sieht einen grundlegenden Wandel beim Fernsehen. „Der Live-Charakter bezieht sich nicht länger auf die Zeitgleichheit von Ereignis, Ausstrahlung und passiver Rezeption, sondern auf die Zeitgleichheit von TV-Ausstrahlung und Online-Kommentar im Bereich des Social TV.“ Beim „Eventfernsehen“ werde die begleitende Kommentierung im Internet immer wichtiger und fördere die Communitybildung, die über die bisherige Mediennutzung hinausgehe.Politik hat schlechte Karten
Diese verbindende Gemeinschaft zeigt sich in Deutschland besonders stark beim wohl beliebtesten Format überhaupt: den „Tatort“-Krimis im Ersten. Deren 35 Erstausstrahlungen zwischen August und Juni schalteten im Schnitt mehr als 9 Millionen ein. Neue Teams gingen in Erfurt und Weimar an den Start, die höchste Quote hatte wieder der Münster-„Tatort“ mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers.
Die oft gesellschaftskritischen Sonntagskrimis haben großen Erfolg, im Gegensatz zu harten Politikthemen. Das TV-Duell von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück am 1. September hatte insgesamt etwa 17 Millionen Zuschauer. Doch der Sat.1-Film „Der Rücktritt“ über Ex-Bundespräsident Christian Wulff zum Beispiel lockte im Februar nur 2,8 Millionen vors Gerät, das ARD-Politdrama „Die Spiegel-Affäre“ mit Francis Fulton-Smith als Verteidigungsminister Franz Josef Strauß im Mai etwa 3,6 Millionen.
Auch beim ARD-Sonntagabend-Talk „Günther Jauch“ zeigt sich: Themen wie „Mein Kind ist ein Schläger – Ohnmächtig gegen Jugendgewalt?“ (passend zu einem „Tatort“) zog Hunderttausende mehr an als eine tagesaktuelle Runde wie „Die Denkzettel-Wahl – Abrechnung mit Europa?“, auch wenn sich dort der „Zeit“-Chefredakteur und Doppelstaatsbürger Giovanni di Lorenzo als Zweifach-Wähler outete.Fernsehgesichter der Zukunft
Für Gesprächsstoff sorgte eine kleine Sexwelle beim MDR („Make Love -Liebe machen kann man lernen“) oder das RTL-Quizspektakel „Die 2“, beidem Thomas Gottschalk an der Seite von Günther Jauch wieder Morgenluftwitterte. Als Fernsehgesichter mit Zukunft gelten nach wie vor GuidoMaria Kretschmer („Shopping Queen“, „Hotter Than My Daughter“) oder auchJoko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf („Circus HalliGalli“).
Im ZDF verschwand nach dem „Landarzt“ nun auch der Serienklassiker“Forsthaus Falkenau“ mit Hardy Krüger junior. Nach 300 Folgen in derKrimiserie „Ein Fall für zwei“ trat außerdem Privatdetektiv Matula(Claus Theo Gärtner) ab. Der ZDF-Freitagskrimi geht allerdings weiter -jetzt mit Wanja Mues und Antoine Monot Jr., die sich bei den Zuschauernbeide noch bewähren müssen. [Gregor Tholl/fm]
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