Wenn am Donnerstag die neue DDR-Serie „Deutschland 83“ startet, will RTL beweisen, was die deutsche Serie alles kann. Doch wird die Geschichte um den jungen DDR-Spion auch die Zuschauer überzeugen? Die Reaktionen aus den USA machen Hoffnung.
Im Radio lief „99 Luftballons“ von Nena. Die Telefone hatten eine Wählscheibe, die Menschen trugen komische Jeans. Das höchste der Gefühle war eine gute Tasse Filterkaffee. Die Serie „Deutschland 83“ ist eine Zeitreise in die 80er Jahre, in die Welt des Kalten Krieges, als das Wettrüsten zwischen Ost und West fast eskaliert wäre.
Es geht doch: Das deutsche Fernsehen schafft spannende Serien, die mit den Vorbildern aus den USA und Skandinavien mithalten können. Die Geschichte um einen jungen DDR-Soldaten, der zur Spionage im Westen gezwungen wird, feierte erst in den USA ihre TV-Premiere – noch bevor sie von diesem Donnerstag (20.15 Uhr) an hier bei RTL zu sehen ist. „Frisch und unterhaltsam“ fand die „New York Times“ die Saga, die auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs spielt, zwischen Bonn, Brüssel, Berlin und dem damals noch verwitterten DDR-Vorort Kleinmachnow. Sie erinnert an die US-Spionage-Serie „The Americans“. Hauptdarsteller Jonas Nay (25) wird vermutlich noch einige Preise einheimsen.
Die acht Folgen werden immer donnerstags um 20.15 Uhr bei RTL im Doppelpack ausgestrahlt. Dort sind die Zuschauer eher an den Actionstoff „Alarm für Cobra 11“ gewöhnt. „Deutschland 83“-Produzent Nico Hofmann („Unsere Mütter, unsere Väter“) wird genau verfolgen, welche Quoten seine neue Serie im ganz normalen Fernsehen bringt.
Denn: Serienfans gucken gern im Marathon – mit DVDs oder sie rufen die Folgen aus dem Internet ab. Bei der DDR-Serie „Weissensee“ (ARD) funktionierte es mit dem klassischen Fernsehplatz um 20.15 Uhr. Hochgelobte US-Produktionen wie „Homeland“ und „Mad Men“ hatten es hingegen im hiesigen TV schwer. Das nährt den Verdacht: Serien sind etwas für Kinoliebhaber, die Generation Youtube und für Party-Smalltalk.
Nun also „Deutschland 83“. Die Story: Der junge DDR-Soldat Martin Rauch (Nay) wird von seiner kaltblütigen Tante (Maria Schrader) zur Bundeswehr in den Westen gezwungen, wo er die Pläne für die Pershing- II-Raketen und ein Nato-Manöver auskundschaften soll. Die Gegenleistung des DDR-Auslandsgeheimdienstes: Martins nierenkranke Mutter (Ingrid Rauch) soll einen Platz auf der Spenderliste der Ost-Berliner Charité-Klinik bekommen. Er muss dafür seine Freundin (Sonja Gerhardt) in der DDR zurücklassen und landet in einer fremden Welt.
Starke Szenen: Wie Martin zum ersten Mal zwischen den bunten Regalen in einem Supermarkt im Westen steht. Ein Uni-Professor namens Tobias Tischbier (Alexander Beyer), ebenfalls ein Spion, zeigt ihm alles, was er in seinem BRD-Leben wissen sollte – und auch, wie ein Burger schmeckt. „Wo machen die hier denn ihre Paraden?“, rätselt Martin in Bonn.
Für den jungen Mann, der die Identität eines Fremden annimmt und nun Moritz heißt, wird es eine Heldenreise: Es ist nicht nur eine Geschichte über Spionage, sondern auch über das Erwachsenwerden. Die Episoden sind fortlaufend erzählt. Man muss dranbleiben. Zum Ende der Staffel hin sind nicht alle Wendungen überzeugend.
Die Autorin Anna Winger und ihr Mann Jörg Winger („Soko Leipzig“) haben die Figuren und Konflikte liebevoll gezeichnet. So hat Bundeswehrgeneral Edel (Ulrich Noethen) zwei Kinder (Ludwig Trepte und Lisa Tomaschewsky), die so gar nicht den Erwartungen des strengen Vaters entsprechen. Eine Rebellion, wie sie viele Familien kennen.
Dazu kommt viel Zeitgeist: die Bhagwan-Kommune, Aids, das legendäre Udo-Lindenberg-Konzert in Ost-Berlin, Ronald Reagan und Helmut Kohl im Fernsehen. Und der 80er-Jahre-Sound: Im Vorspann flackern Nachrichtenbilder über Nays nackten Oberkörper, dazu läuft New Orders Hit „Blue Monday“. Sowohl die BRD als auch die DDR hört Nenas „99 Luftballons“.
Die Idee zur Serie stammt von Anna Winger, einer in Berlin lebenden Amerikanerin. „Als mein Mann bei der Bundeswehr war, musste er die russischen Truppen in Sachsen abhören. Und die grüßten die westdeutschen Soldaten dann über Funk mit Namen, weil die die Bundeswehr natürlich auch abhörten.“
Es ist ein Einblick, wie das Leben in der DDR und in der BRD war – weder mit Ostalgie noch mit Westalgie. Nay („Homevideo“) kommt aus Lübeck und ist mit Jahrgang 1990 so jung, dass er sich ein geteiltes Deutschland nicht mehr vorstellen kann. „Wenn meine Elterngeneration, die im Filmteam vertreten war, erzählt hat, dann habe ich mit großen Augen und Ohren zugehört“, sagt er. In der Serie erlebt er deutsche Geschichte hautnah und wird zum Helden. Eine Fortsetzung ist schon geplant, sie würde im Jahr 1986 spielen. [Caroline Bock/fs]
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