Obwohl gelernter Stahlschmelzer ist Manfred Krug nach eigenem Bekunden „als Schauspieler auf die Welt gekommen“. Doch auch als Sänger und Schriftsteller macht er eine gute Figur. Am heutigen Mittwoch (8. Februar) wird der geborene Duisburger 75 Jahre alt.
Schon in frühen Jahren Hollywoods verehrte Krug den Star-Cowboy Gary Cooper. Denn der „hat nie etwas anderes gespielt als sich selbst und das ist die Hohe Schule“, schrieb Krug in seinen Jugenderinnerungen „Mein schönes Leben“ (Econ). Der 1937 in Duisburg geborene Ost-West-Schauspieler, siedelte 1949 als Junge mit seinem Vater in die gerade entstehende DDR über, ging aber 1977 nach seinem Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns wieder in den Westen.
Zum Anlass seines 75. Geburtstags blickt er wieder einmal ausführlich auf sein Leben zurück. Mit seinem „Bilderbuch – Ein Sammelsurium“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf) macht er sich selbst ein üppiges Geburtstagsgeschenk und öffnet noch einmal die Koffer und Kisten vom Dachboden mit zahlreichen Erinnerungsfotos und Texten, mit denen er sein Leben und seine wechselvolle Karriere Revue passieren lässt.
Und da gibt es wirklich viel zu erzählen. Immerhin war Krug in der DDR der „Tausendsassa der DEFA-Filme“, wo er in den Babelsberger Studios seit 1961 unter Vertrag stand. Später war er im Westen das liebenswerte und auch manchmal ruppige „Rauhbein, das von drüben kam“, wie ihn Zeitungen nannten.
Mit Filmen wie „Mir nach, Canaillen!“, „Wege übers Land“, „Fünf Patronenhülsen“ und „Auf der Sonnenseite“ wurde Krug einer der populärsten Kino- und Fernseh-Schauspieler im Osten Deutschlands, der von 1969 bis 1973 mehrmals zum Publikumsliebling gewählt wurde. Später gehörte er zu den Künstlern, die auch in der Bundesrepublik – nach einigen Anlaufschwierigkeiten und Ängsten – den beruflichen Anschluss fanden.
Hier wurde er als brummiger „Tatort“-Kommissar Stoever als der „deutsche Kojak“ ein Fernsehstar und hier war er als „Liebling Kreuzberg“ auch der populäre Anwalt, der ein Herz für die kleinen Leute hat. Und es gab mal eine Zeit als vom ARD-Vorabendprogramm noch nicht von der angeblichen „Todeszone“ (wie Thomas Gottschalk aufgrund der Zuschauerzahlen kürzlich sagte) gesprochen wurde, denn da gab es den abenteuerlustigen Truckerfahrer Manfred Krug, der jahrelang weltweit „Auf Achse“ war und damit zu einem TV-Publikumsliebling avancierte.
Nebenbei gab es (an der Seite von Lilo Pulver) auch Gastspiele in der Sesamstraße, womit Krug seine Vielseitigkeit unterstreichen wollte, denn er sei „keineswegs auf einen Rollentyp festgelegt, wie manche meinen“. Und gibt dafür ein Beispiel: „Also bitte, wenn mir einer den ‚Glöckner von Notre Dame‘ gibt, dann werde ich den sicher gut spielen – man muss nur den Mut haben, mir so etwas anzubieten.“
Dass er flexibel ist, bewies er schon zu DDR-Zeiten, wie zum Beispiel in Goethes „Urfaust“ mit Hilmar Thate, in der Oper „Der Freischütz“ oder in einer „Porgy und Bess“-Inszenierung an der Ostberliner Komischen Oper in der Regie von Götz Friedrich. „Als ob er mit Sammy Davis jr. die Schulbank gedrückt hätte“, hieß es 1970 in einer begeisterten Kritik dazu. Und kaum noch bekannt ist bis heute, dass Krug noch unter der Regie von Bertolt Brecht als Schauspiel-Eleve am Berliner Ensemble 1955 einen Panzerleutnant in Bechers „Winterschlacht“ spielte.
Vom aktiven Schauspielberuf hat sich „Manne“ mit dem Eintritt ins offizielle Rentenalter zurückgezogen, recht ungewöhnlich für gefragte Protagonisten seiner Zunft. Doch gesundheitliche „Warnschüsse vor den Bug“ wie ein Schlaganfall 1997 in seiner Berliner Wohnung hatte Krug nicht ignorieren wollen. Mit „Jazz und Lyrik“ tritt der leidenschaftliche Jazz- und Chansonsänger („Es steht ein Haus in New Orleans“) allerdings noch immer auf der Bühne, beispielsweise mit der Sängerin Uschi Brüning.
Erste Risse im Idealbild der DDR sah der Schauspieler, als der 1965 gedrehte Frank-Beyer-Film „Spur der Steine“ mit Krug als aufmüpfig-anarchistischer Baubrigadier von der SED verdammt, aus den Kinos entfernt und von Stasitrupps gestört wurde. „Das war Goebbelssche Manier und ich erlebte meinen ersten schweren Einbruch mit meinem Glauben an das bessere, gerechtere Deutschland mit den sozialistischen Idealen“, erinnert sich Krug. „Hieb Nummer zwei“ war die militärische Niederschlagung des Prager Frühlings 1968.
Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich die Ausbürgerung von Wolf Biermann im November 1976. Nach massivem Künstlerprotest, dem sich auch Krug angeschlossen hatte, wurde der Schauspieler beruflich geschasst und von Stasi-Leuten verfolgt. Einer von denen fing sich von Krug eine „Maulschelle“ ein, als er in einer Kneipe in Erfurt durch den Raum in Richtung Krug gerufen hatte: „Die Leute, die in der Schweiz ein Dollar-Konto haben, sollen mal schön die Klappe halten.“
Das Treffen in Krugs Haus von empörten Künstler und Schriftstellern wie Christa Wolf, Stefan Heym, Hilmar Thate und Jurek Becker mit dem SED-Politbüromitglied Werner Lamberz nahm der Schauspieler heimlich auf Tonband auf, heute ist es ein einzigartiges Zeitdokument. Krug veröffentlichte das Tonbandprotokoll und seine Erinnerungen daran 1996 unter dem Titel „Abgehauen“, was vom Regisseur Frank Beyer später auch verfilmt wurde.
An seine Übersiedlung in den Westen 1977 erinnert sich Krug noch sehr genau: „Ich hatte Angst, die größte Angst in meinem Leben. Nochmal von vorn anfangen? Aber kriech ich zu Kreuze, bin ich kaputt. Kriech ich nicht, machen sie mich kaputt.“ Irgendwann war für Krug „der Riemen runter von der Orgel, wie der Berliner sagt“. Aber der Neuanfang im Westen gelang, das „zweite Leben“ des Schauspielers Manfred Krug begann.Portrait Archiv
[Wilfried Mommert]
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