Die TV-Nation hat entschieden: Roman Lob fährt mit der Power-Ballade „Standing Still“ des britischen Komponisten Jamie Cullum zum Eurovision Song Contest nach Baku. Ein „Gehörgangschmeichler“ mit Welpenblick. Eine gute Nachricht für alle Goethe-Institute.
Stefan Raab versagte zwischenzeitlich die Stimme. „Unfassbar gut gesungen“, brachte der 45-Jährige noch heraus – zu mehr reichte es nicht mehr. Finalist Roman Lob hatte ihm die Sinne verwirrt. Der 21-jährige Favorit aus Neustadt (Wied) in Rheinland-Pfalz gewann am Donnerstagabend erwartungsgemäß das Finale des deutschen Grand-Prix-Vorentscheids. Damit tritt er nun die Lena-Nachfolge an und singt am 26. Mai in Baku beim Eurovision Song Contest, dem „Kasperletheater auf ganz hohem Niveau“ (Raab).
Eindeutig fiel die Entscheidung auch bei der Wahl des Songs aus. „Der Drops ist gelutscht“, befand Jurypräsident Thomas D (43), nachdem Roman den Titel „Standing Still“ zum Besten gegeben hatte. „Damit machen wir uns nirgends zum Affen.“ So urteilten auch seine Mit-Juroren Raab und Alina Süggeler (26) von Frida Gold. Und so entschied alsdann das liebe Stimmvieh daheim.
Selten zuvor hat ein TV-Wahlvolk mehr Zeit für seine Meinungsbildung bekommen als die Zuschauer von „Unser Star für Baku“. Die ungleichen Partner ARD und ProSieben wälzten den Entscheidungsprozess auf acht abendfüllende Sendungen aus. Schließlich ging es ja um das „größte Musik-Event der Welt“, wie Raab nicht müde wurde zu betonen. Thomas D hatte zum Finale gar seinen sieben Jahre alten Hochzeitsanzug angelegt. Immerhin werde er mit dem Gewinner des Abends so etwas „wie eine zweite Ehe“ eingehen: „Ich liebe diesen Song, ich liebe diesen Typen.“
Gewinner Roman galt von der ersten Sendung an als Favorit – was der Spannung und damit der Einschaltquote einigen Abbruch tat. Noch bevor er überhaupt zum ersten Mal gesungen hatte, stand er in der von Raab erfundenen Blitztabelle – der fast durchgängig eingeblendeten Dauerbewertung – auf Platz 1. So ist es dann geblieben.
Seine Herausforderin im Finale war die 27-jährige Ornella de Santis, fest angestellte Sängerin im Europapark Rust. Sie hätte es in der aserbaidschanischen Hauptstadt mit einer Ballade im Disney-Stil versucht. Das könne der Song zu „Wenn Arielle ihren Goldfisch wiederfindet“ werden, meinte Thomas D, dem diesmal so manches Kompliment verrutschte. Für den Grand Prix wäre „Quietly“ sicher zu ruhig gewesen. Darüber hinaus verfügt der brusttätowierte Roman einfach über das größere Anschwärmpotenzial.
Die Stimmung der Jury war während des gesamten Finales euphorisch. Man beglückwünschte sich gegenseitig – „Kompliment, Herr Präsident“ – und schloss sich der Meinung des anderen an: „Ich tröte mit Thomas in ein Rohr.“
„Gehörgangschmeichler“ Roman ist auf jeden Fall eine gute Nachricht für alle Goethe-Institute. Er kann das in letzter Zeit doch etwas strapazierte Deutschlandbild einiger Europäers um eine wichtige Komponente erweitern: Wer in diese Knopfaugen blickt, zweifelt nicht daran, dass zumindest dieser Deutsche alle Notkredite sofort freigeben würde. [Christoph Driessen/ar]
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