Stephen Colbert soll der neue Stern am Himmel der US-Nachttalker werden. Der Nachfolger von David Letterman wird sehr seriös, sehr korrekt gekleidet und sehr ernst sein – zumindest nach außen.
Gibt es einen Menschen im Showgeschäft, der den legendären Talkshowgastgeber David Letterman nach dann 22 Jahren ersetzen kann? Es gibt ihn, und der Sender CBS hat ihn nach Ansicht vieler Kritiker gefunden: Stephen Colbert gelingt der Sprung vom kleinen Kultsender Comedy Central zum großen Fernseh-Raumschiff CBS. Das passt, schließlich ist Colbert hochseriös – zumindest auf dem ersten Blick.
Mit ernster, anklagender oder aufklärerischer Miene – nie lächelnd – sitzt der 49-Jährige jeden Abend in seinem Studio. Sein „Colbert Report“ läuft nach der „The Daily Show“ mit Jon Stewart, der eine noch festere Fangemeinde hat. Was bei Stewart wie eine Nachrichtensendung aussieht, erscheint bei Colbert wie eine der Kommentarsendungen, mit denen rechte und linke US-Sender bei ihrer Klientel Quote machen. Colbert erscheint als einer der Konservativen.
„Ich glaube, dass Demokratie unser größter Exportschlager ist“, sagte er einmal ernst. „Zumindest so lange, bis die Chinesen rauskriegen, wie sie es für drei Cent das Stück nachmachen können.“ Colbert grinst bei solchen Pointen nicht, er blickt ernst durch seine randlose Brille in die Kamera, manchmal den Finger warnend erhoben. Dann tritt er für konservative Werte ein und sagt: „Die beste Regierung ist die, die möglichst wenig regiert. Nach diesen Standards haben wir eine hervorragende Regierung im Irak installiert.“
Colbert ist das jüngste von elf Kindern. Er wuchs im Südstaat South Carolina auf, gilt als sehr belesen und intelligent. „Er ist wie eine wandelnde Enzyklopädie, die gern Bier trinkt“, sagte der Schauspieler Paul Dinello einmal über ihn. Colbert sieht sich selbst als Linken, aber nicht geifernd oder besserwisserisch. Seine konservative Figur mag er deshalb auch selbst – zumindest zum Teil: „Er ist ein gutmeinender, aber schlecht informierter Oberklassenidiot.“
Colbert hat es nicht nur zu einer eigenen Eissorte gebracht, er war sogar einmal Präsidentschaftskandidat. Er wolle „Präsident der Vereinigten Staaten von South Carolina“ werden, verkündete er vor zwei Jahren. „Schon seit nun mehr als einem Tag ruft das Volk von South Carolina nach einem Mann, der die frühere Größe unserer Nation wieder zu ihrer jetzigen Perfektion macht.“ Ernst gemeint war das nicht, doch klang die Parodie verdammt ernst. Nicht auszudenken, wie viele Menschen den Auftritt für echt gehalten haben.
Wird er so etwas noch dürfen, wenn Colbert im nächsten Jahr David Letterman ablöst? CBS hat mit seiner Wahl Mut bewiesen, aber Colbert wird die nächtliche Show kaum unter dem Titel „Stephen Colbert“ führen. Dafür hätte er seinen alten Sender nicht verlassen müssen. Seine Fangemeinde ist fest und unumstößlich, aber für einen großen Sender eben doch viel zu klein.
Letztlich ist Colbert Komiker. „Lachen ist nicht nur die beste Medizin. Es ist eigentlich eine ganze Armee von Antibiotika und Steroiden“, sagte er einmal. Und auch, dass er gnadenlos ist: „Wir kennen keinen Respekt. Es gibt keine Grenze, die ich nicht für einen Witz einreißen würde.“ Deshalb könnte er sich auch vorstellen, nach seinem Bestseller „Ich bin Amerika – und Du kannst es auch sein“ noch eine Autobiografie in sechs Wörtern zu schreiben: „Tja, ich dachte, es wäre lustig.“[Chris Melzer]
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