
Leute wie Martin Semmelrogge, Linda Nobat und Jennifer Iglesias steigen in den nächsten Wochen wieder in die Reality-Arena. Viel Drama, einfache Rollenmuster, wenig Tiefe. Wieso lieben Trash-TV Millionen?
Für Freunde von Trash-TV beginnt in den nächsten Wochen die Hochsaison. RTLZwei zum Beispiel hat für einen Klassiker wieder eine bunte Truppe zusammengestellt: Der TV-Haudegen Martin Semmelrogge wird in der neuen Staffel von „Kampf der Realitystars“ genauso um 50.000 Euro Preisgeld kämpfen wie die Ex-Erotikdarstellerin und frühere FDP-Lokalpolitikerin Annina Semmelhaack sowie der „Make Love, Fake Love“-Gigolo Dennis Lodi, die Dschungelcamperin Linda Nobat, das Reality-Urgestein Frank Fussbroich, sowie 17 andere Stars und Sternchen. Auftakt ist bei RTL+ am 30. April, und bei RTLzwei am 7. Mai.
Wenn C-Promis ihre verflossene Liebe verkuppeln müssen

Fast zeitgleich startet am 1. Mai „Match My Ex“ auf Joyn, wo Persönlichkeiten wie „Promi Big Brother“-Teilnehmerin Jennifer Iglesias und „Prominent getrennt“-Kandidat Lukas Baltruschat jeweils ihren Ex-Partner verkuppeln. Bei beiden Shows wird wohl wieder geweint, gebrüllt und gelästert. Bei manchen solcher Sendungen versinkt man aus Fremdscham fast in der Couch. Trotzdem sind Formate wie „Das Sommerhaus der Stars“ und „Promi Big Brother“ Dauerbrenner und erreichen ein großes Publikum. Da bleibt die Frage: Warum schauen sich das überhaupt so viele Menschen an?
Klatsch und Tratsch sind in der menschlichen Natur verwurzelt
„Dieser Voyeurismus, den Menschen haben, Klatsch und Tratsch, das sind Sachen, die ganz tief in der menschlichen Natur verwurzelt sind“, sagt Medienpsychologe Benjamin Lange. „So dieser Klassiker: Autounfall, ich will eigentlich nicht hinschauen und wegschauen kann ich trotzdem nicht.“
„Da sind andere Menschen, die sich flapsig formuliert zum Affen machen, sich blamieren, peinlich sind“, sagt Lange. „Und oft ist es einfach so, dass wir uns selbst besser fühlen, wenn andere sich blamieren, wenn andere peinlich sind. Dann gibt es einen Kontrasteffekt, denn wir stehen dann gefühlt weit über diesen Menschen.“
Seichte Unterhaltung bietet Zerstreuung

Außerdem biete diese Medienwelt ein überschaubares Gegenstück zu der sehr komplexen Wirklichkeit, sagt Joan Bleicher, Professorin für Medienwissenschaft. „Es gibt eine sehr einfache Dramaturgie, mit sehr stereotypen Figuren und sehr vielen Emotionen“, sagt Joan Bleicher, Professorin für Medienwissenschaft. Zudem könne man sich über Trash-TV wunderbar austauschen. „Einfach Zerstreuung, Entspannung und auch mal seichte Unterhaltung wollen. Man kann sich ja nicht den ganzen Tag mit hochintellektuellen Sachen befassen“, sagt Lange.
Niemand gibt es zu, aber alle schalten ein
So richtig zugeben, dass man das ein oder andere Dating-Format auch mal ganz gerne schaut, wollen dennoch die wenigsten. Viele konsumieren die Sendungen bewusst ironisch, um sich moralisch zu distanzieren. „Ich will doch einfach nur mal gucken, wie diese Sendung, die eigentlich für andere gemacht ist, wie die aussieht, wie das da läuft“, erklärt Lange die dahinterliegenden menschlichen Gedankengänge. Oder: „Ich habe mich den ganzen Tag mit irgendwelchen akademischen Sachen beschäftigt. Jetzt komme ich nach Hause und jetzt will ich genau das Gegenteil machen. Das habe ich mir jetzt auch verdient.“
Bei menschlichem Verhalten siege oft die Lust, das Bedürfnis oder der Impuls. „Aber im Nachhinein sind da auch gemischte Gefühle. Wir wollen uns als moralische Menschen sehen, anständige Menschen, niveauvoll, intellektuell, gebildet. Und dann schauen wir so eine Sendung an. Da merken wir, das passt irgendwie nicht zusammen.“
Viele Formate leben von Grenzüberschreitungen

Viele der Formate lebten von Grenzüberschreitungen in Sachen körperlicher und psychischer Gewalt, erinnert Bleicher. „Sie leben von Auseinandersetzung und sie leben von der tatsächlichen, häufig auch finanziellen Ausbeutung der Mitwirkenden. Und all das fördern wir mit unserem Konsum.“ Man solle sich überlegen, wie man die ethischen Probleme mancher Formate einschätze und wie man darauf reagieren sollte. Denn: „Tabugrenzen werden immer stärker erweitert. Wo früher noch Leute aus Formaten etwa wegen Schlägereien ausgeschlossen wurden, behält man sie jetzt drin“, sagt die Medienpsychologin.
Warum heißt es eigentlich Trash-TV?
Den Hype um solche Sendungen gebe es schon lange. „Bereits 2001, nach dem Erfolg der ersten „Big Brother Staffel»“ gab es eine sehr starke Ausdifferenzierung der Formate“, sagt Bleicher. Aber woher kommt der Begriff Trash-TV überhaupt? „Der Begriff markiert, glaube ich, den niedrigen Anspruch in der Komplexität dieser Formate“, sagt Bleicher. „Zum Trash zählt auch das ständige Brüllen, Beleidigungen und Beschimpfungen mit denen Konflikte und Diskussionen ausgetragen werden.“
Text: dpa / Redaktion: Felix Ritter
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