Das tödliche Gedränge bei der Loveparade im Sommer 2010 in Duisburg ist noch immer sehr präsent. Im ARD-Film „Das Leben danach“ geht es um die Auswirkungen auf die traumatisierten Überlebenden.
Köln (dpa) – Im Sommer 2010 starben 21 junge Menschen in dichtem Gedränge bei der Loveparade in Duisburg. Die Schuldfrage ist auch sieben Jahre nach der Katastrophe noch längst nicht geklärt – um sie geht es in dem Film „Das Leben danach“, den das Erste an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) zeigt, auch nicht. Das Drama des Westdeutschen Rundfunks kümmert sich um die traumatisierten Überlebenden.
Es geht um die – fiktive – 24 Jahre alte Antonia, die im tödlichen Chaos der Loveparade schwer traumatisiert wird und bis in die Gegenwart ihr Leben nicht in den Griff bekommt. Sie trägt eine zerstörerische Wut in sich. Gepaart mit Schuldgefühlen und Trauer nimmt sie fast keine Rücksicht mehr auf andere – und sich selbst. Antonia wird in ihrer tiefen Zerrissenheit sehr überzeugend dargestellt von Jella Haase.
Der Film beginnt an einer Gedenkstätte am Veranstaltungsgelände. Die Filmemacher taten gut daran, den Ort nicht zu sehr wie den echten Gedenkort aussehen zu lassen, denn Antonia lässt dort ihrer Wut freien Lauf. Auf der Flucht vor der Polizei nimmt ein Taxifahrer sie mit: Der Mathematiker Sascha (Carlo Ljubek), der behauptet, auch im Gedränge gewesen zu sein. Später fragt er Antonia: „Warum zertrampelst du die Gedenkstätte?“ Antwort: „Weil die tot sind und ich lebe. Wir sind die Kaputten, die nichts auf die Reihe kriegen.“
Es dauert nicht lange, und Antonia findet heraus, dass er nicht dabei war – und irgendwie doch. Er war einer der Gutachter, die im Vorfeld das Konzept als sicher eingestuft hatten – ein fataler Irrtum. So hat die Loveparade auch ihn aus der Bahn geworfen. Er verlor seinen Job an der Uni. „Ich war nicht gut genug“, sagt er.
Die Figuren sind frei erfunden, doch haben die Drehbuch-Autoren Eva und Volker A. Zahn zuvor viele Gespräche mit Betroffenen geführt. Dass die Katastrophe für viele dieser Traumatisierten nach wie vor eine große Rolle spielt, ist nicht ausgedacht. So berichten Überlebende, dass sie für eine Rückkehr in einen Alltag entweder Jahre brauchten oder es ihnen bis heute nicht gelungen ist. Manche meiden etwa nach wie vor größere Menschenansammlungen oder Linienbusse.
Der Film blickt mehrfach in Abgründe. Etwa, als Antonia am offenen Sarg eines Bekannten steht, der Selbstmord begangen hat. „Du siehst eigentlich ganz glücklich aus“, sagt sie zu ihm. Oder bei der Geburtstagsfeier für ein Kind, das bei der Loveparade starb. Es war der kleine Bruder von Antonias bester Freundin. Antonia war mit ihm zu der Techno-Parade gegangen – und hatte ihn ihm Gedränge verloren. Achtung, Film: Das jüngste Todesopfer der „echten“ Loveparade war 17 Jahre alt.
Eine drastische Szene ist auch der Sex mit dem erst 14 Jahre alten Sohn Saschas. Hoffnung und Liebe haben es sehr schwer in diesem Film, der aber auf Humor nicht verzichtet. Das Normale ist, dass fast nichts mehr normal ist. Regisseurin Nicole Weegmann gelingt es dabei, neben der zerstörerischen Wut Antonias auch ihre verletzlichen Seiten herauszuarbeiten, etwa wenn Antonias beste Freundin wegzieht. Der Film endet schließlich dort, wo er begonnen hat: im Tunnel. Und nicht ohne Hoffnung.
Der Film gebe einen tiefen Einblick davon, wie Antonias Wut „und der bislang vergebliche Schrei nach Aufklärung und Gerechtigkeit in sich erstarren, abkapseln und auf Dauer unerträglich werden können“, lobte die Jury des Bernd Burgemeister Fernsehpreises im Sommer in München in der Begründung für die Nominierung. „Schuld und Erlösung kämpfen in allen Figuren miteinander, ohne je pathetisch zu werden. Der Film schafft es, dem Zuschauer diese Figuren sehr nahezubringen.“ „Das Leben Danach“ sei ein mutiger und unbequemer Film, „der es dem Zuschauer nicht einfach macht“. [Helge Toben]
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