Als Dagmar Berghoff 1976 zur „Tagesschau“ kam, waren die Nachrichten noch eine Männerdomäne. Der Chefsprecher war gegen sie. Berghoff blieb 23 Jahre. Noch heute erkennen viele die Stimme der ersten Miss Tagesschau.
Berghoff war die erste Frau in den Nachrichten und blieb bis zu ihrem „Tagesschau“-Abschied am Silvesterabend 1999 auch in der Beliebtheit für viele die Nummer eins. Die 20-Uhr-Hauptausgabe einzuschalten, ist für sie noch immer Pflicht. Es sei denn, es gibt was zu feiern – wie ihren 75. Geburtstag am heutigen Donnerstag.
Mit ihrem Ex-Kollegen Wilhelm Wieben und zwei weiteren Freunden wird dann wieder Rummikub gespielt, wie seit vielen Jahren an Geburts- und Feiertagen. Was sie sich wünscht? „Eigentlich nur Gesundheit. Wenn man jünger ist, wünscht man sich so viel, aber – so banal es auch klingen mag – Gesundheit ist doch das Wichtigste.“ Wie 75 fühle sie sich nicht.
23 Jahre lang war Berghoff das Gesicht der „Tagesschau“. Die Momente, in denen sie selbst mal vor laufender Kamera für Schlagzeilen sorgte, gehören zu den bekanntesten Anekdoten in der Geschichte der Sendung. Etwa die Proteste, die die Sprecherin auslöste, als sie eines Tages mit Lockenfrisur auf dem Bildschirm erschien. „Mir schrieben die Leute zum Beispiel: Mein Hirtenhund liegt vorm Fernseher und bellt Sie an.“ Auch ihr Lachkrampf beim „WTC-Turnier“-Versprecher ist legendär – zuvor hatte sie noch mit der Redaktion darüber gewitzelt, doch mal lesen zu können, Boris Becker habe im WC gewonnen.
Bis vor einigen Jahren arbeitete die Moderatorin noch fürs Radio, wie von Anfang an. Auch damals, als „Tagesschau“-Chefsprecher Karl-Heinz Köpcke sie zu seinem nur aus Männern bestehenden Team holte – obwohl auch er zu den Zweiflern zählte. „Er war eigentlich nicht der Meinung, dass Frauen die „Tagesschau“ sprechen können. Von Politik würden sie nichts verstehen, von Sport schon gar nichts, und bei Unglücken in Tränen ausbrechen“, hatte Berghoff mal erzählt. Nachdem sie unter anderem beim damaligen Südwestfunk als TV-Ansagerin, Moderatorin und Hörfunksprecherin in Baden-Baden gearbeitete hatte, begrüßte Berghoff am 16. Juni 1976 erstmals die Zuschauer der „Tagesschau“.
Dabei hatte die gebürtige Berlinerin, die in Ahrensburg bei Hamburg aufwuchs, Schauspielerin werden wollen und das auch studiert. Anfangs nahm sie parallel zur TV- und Radioarbeit einige Rollen an, etwa für Dieter Wedels „Die Semmelings“. Als die „Tagesschau“ kam, war Schluss damit. „Dieter Wedel, mit dem ich damals liiert war, sagte mir: „Wenn Du ‚Tagesschau‘-Sprecherin wirst, ist Dein Gesicht für die Schauspielerei verbraucht, dann bist Du wirklich das Gesicht der ‚Tagesschau‘.“ Zumal ich auch noch die erste Frau bei der „Tagesschau“ war“, erinnert sich Berghoff.
Mit Wedel habe sie nur wenig Kontakt, „aber wenn wir uns sehen, begrüßen wir uns herzlich“, erzählt Berghoff und sagt angesichts der Schlagzeilen um ihn: „Ich denke, Dieter Wedel hatte es nicht nötig, eine Frau gegen ihren Willen ins Bett zu bekommen. Außerdem meine ich, dass jede Frau, wenn sie nicht gerade noch sehr jung und unerfahren ist, weiß, wie sie sich zu wehren hat.“ Der #MeToo-Debatte stehe sie etwas zwiegespalten gegenüber. „Ich selbst habe sexuelle Annäherungsversuche erlebt, nicht innerhalb der „Tagesschau“, aber von anderen Kollegen. Ich wusste aber so etwas sofort abzuwehren.“[dpa]
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