Song Contest mit Sensation: Die Dragqueen Conchita Wurst aus Österreich gewinnt den Grand Prix in Kopenhagen. „Diese Nacht widme ich allen, die an Frieden und Freiheit glauben“, sagt sie. Deutschland wird 18.
Triumph mit Transvestit: Mit der vollbärtigen Dragqueen Conchita Wurst und einer pompösen Popballade hat Österreich den Eurovision Song Contest 2014 gewonnen. Das Siegerlied mit dem Erweckungstitel „Rise Like A Phoenix“ (Wie Phönix aus der Asche auferstehen) erinnert an einen James-Bond-Song. Deutschland landete in Kopenhagen mit Elaiza und dem Polka-Poplied „Is It Right“ abgeschlagen auf Rang 18. Das sympathische Frauentrio hatte den deutschen Vorentscheid im März aus dem Nichts für sich entschieden. 26 Lieder konkurrierten beim internationalen Finale um den Sieg.
Es ist das zweite Mal – nach 1966 mit Udo Jürgens und „Merci Chérie“ -, dass Österreich den Grand Prix gewonnen hat. Den traditionsreichen TV-Wettbewerb gibt es seit 1956. „Diese Nacht widme ich allen, die an Frieden und Freiheit glauben. Wir sind eine Einheit“, schluchzte Wurst, deren Name zu Wortspielen einlädt, im figurbetonten, bodenlangen, goldfarbenen Abendkleid, als ihr Sieg feststand. „Ich habe hier soviel mehr bekommen als nur eine Trophäe.“
Sie habe einfach versucht, „alles zu geben, was ich habe“, das sei das Wichtigste gewesen. Ihr Auftritt war eine Gänsehaut-Show voller Dramatik mit Lichtstrahlen und Flammenmeer-Optik.
Der Eurovision Song Contest wird somit nächstes Jahr, wenn er zum 60. Mal über die Bühne geht, wahrscheinlich in Wien ausgetragen. Gleich nach der Show regte Wursts Agent René Berto an, dass die Dragqueen nächstes Jahr den ESC moderieren könnte. „Ich wäre gern Gastgeberin“, sagte Conchita. Der nächste Grand Prix solle „glamourös“ werden.
Viele deuteten den Dragqueen-Sieg als Zeichen für ein trotz mancher Rückschläge tolerantes und homosexuellenfreundliches Europa. Die Politik blieb auch in Sachen Russland und Ukraine nicht außen vor. Wie schon in ihrem Halbfinale, wurden die russischen Zwillinge Tolmatschewy Sisters von zahlreichen Fans in der Halle ausgebuht. Eine Portion Extra-Applaus gab es im Gegenzug für die ukrainische Vertreterin Maria Jaremtschuk, die mit der Tanznummer „Tick-Tock“ antrat.
Bei der Punktevergabe wurde fast jede Wertung für Russland von Buhrufen in der Halle begleitet. Die Sympathien für das Riesenreich sind zurzeit offensichtlich begrenzt.
Österreich lag am Ende mit 290 Punkten vor den Niederlanden (238), Schweden (218), Armenien (174) und Ungarn (143). Die Ukraine kam auf den sechsten Platz (113), mit Abstand gefolgt von Russland (89 Punkte). Die Schweiz erreichte den 13. Platz. Der in Italien liegende Zwergstaat San Marino landete abgeschlagen auf Platz 24 mit dem vom deutschen Grand-Prix-Urgestein Ralph Siegel („Ein bisschen Frieden“) komponierten Lied „Maybe (Forse)“.
Zahlreiche Prominente äußerten sich in sozialen Netzwerken. Hape Kerkeling schrieb „Heute sind wir alle Österreicher“ bei Facebook. Thomas D twitterte „Ich hab Tränen in den Augen, so schön war das! Gratulation Conchita Wurst!“ TV-Satiriker Oliver Kalkofe schrieb: „Gratulation an Lady Sausage aus Österreich! Ein klares Statement mit Stil hat gewonnen, das ist überaus erfreulich und war dabei nicht einmal peinlich (wie es leicht hätte werden können)! Chapeau!“
Österreichs Rundfunkanstalt ORF hatte Wurst alias Tom Neuwirth (25) ohne einen Vorentscheid als Beitrag nach Dänemark geschickt. Im Jahr 2012 war sie nur Zweite geworden beim nationalen Vorentscheid zum Song Contest, hinter dem Hip-Hop-Spaßduo Trackshittaz („Woki mit deim Popo“). Mancher deutsche TV-Zuschauer kennt Conchita als Teilnehmerin der RTL-Doku-Soap „Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika“, wo sie vergangenes Jahr neben Kader Loth oder Sarah Knappik agierte.
Vergangenes Jahr war Deutschland mit dem Disco-Lied „Glorious“ von Cascada auf Rang 21 gelandet. Die Bundesrepublik hat den Wettbewerb bislang zweimal gewonnen, 1982 mit Nicole („Ein bisschen Frieden“) und 2010 mit Lena („Satellite“).
Die Show war im Vergleich zu Ausgaben in einigen Vorjahren eher klein gehalten, vor etwa 10 000 Zuschauern in einer alten Werfthalle, allerdings mit beeindruckender High-Tech-Bühne. Die drei Moderatoren Lise Rønne, Nikolaj Koppel und Pilou Asbæk („Borgen – Gefährliche Seilschaften“) gaben sich betont lässig und cool.
Geschätzt 120 bis 180 Millionen Zuschauer verfolgten das Spektakel vor dem Bildschirm in ganz Europa. In Deutschland waren im vergangenen Jahr etwa 8,2 Millionen Fernsehzuschauer dabei.
Schlagerstar Helene Fischer verkündete Deutschlands Punkte von Hamburg aus. Deutschlands Höchstwertung „twelve points“ ging in die Niederlande, an das Duo The Common Linnets („Calm After The Storm“). Zehn Punkte wanderten nach Polen. Sieger Österreich erhielt aus Deutschland sieben Punkte.
Beim ESC 2013 hatte die damals 20-jährige und barfuß auftretende Dänin Emmelie de Forest mit dem verträumten „Only Teardrops“ den Sieg geholt, davor in Baku die Schwedin Loreen mit „Euphoria“.
Der 60. Eurovision Song Contest soll nach vorläufigen Angaben der European Broadcasting Union (EBU) am 16. Mai 2015 stattfinden, die Halbfinals am 12. und 14. Mai. [dpa]
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