Nachdem sie bereits 2008 mit ihrem ersten Roman „Feuchtgebiete“ für zahlreiche Furore sorgte, nimmt auch die aktuelle Verfilmung von Charlotte Roches zweitem Buch „Schoßgebete“ kaum ein Blatt vor den Mund. Im Interview spricht sie offen über die Tragödie ihres Lebens.
Als Autorin der „Feuchtgebiete“ wurde Charlotte Roche zur literarischen Provokateurin Nummer eins in Deutschland. An diesem Donnerstag kommt ihr zweiter Roman „Schoßgebete“ auf die Kinoleinwand. Darin hat Roche auch die fürchterliche Tragödie verarbeitet, die ihr Leben überschattet. Im Jahr 2001 starben drei ihrer Brüder bei einem Unfall. Ihre Familie war auf dem Weg nach London – zur geplanten Hochzeit von Roche und ihrem damaligen Freund. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa erklärt die 36-Jährige, warum es ihr nicht schwer fällt, die große Tragödie ihres Lebens auf der Leinwand zu sehen.
Bei Ihren Büchern stellt sich vor allem die Frage: Was ist autobiografisch, was fiktiv?
Charlotte Roche: Wenn ich schreibe, ist das ganz ehrlich und aufrichtig, aber ich kann ja nicht meine Verwandten verraten. Da hört der Spaß auf, darum nehme ich Aspekte aus meinem Familienleben, aber ich verwische die Grenzen, indem ich andere Familien, andere Männer und Frauen miteinbeziehe in meine Figuren. Ganz viel ist echt und nah dran, aber das realistischste ist natürlich die weibliche Hauptfigur.
Die Hauptdarstellerin Lavinia Wilson ist Ihnen im Film wahnsinnig ähnlich…
Roche: Ja, total. Schon als ich das Casting-Band gesehen habe, bin ich fast hintenrübergefallen, weil ich dachte: Ach du scheiße, die spricht ja wie ich. Ich bin fast durchgedreht. Das ist schon eine Art positiver Grusel, weil ich mich frage: Wie macht die das? Lavinia erinnert mich zwar stark an mich. Aber ich kann schon eine Distanz dazu aufbauen. Wenn sie das Brautkleid trägt, trägt sie ein Brautkleid und nicht meins, weil Sönke Wortmann und Oliver Berben ja gar nicht wissen, wie mein Brautkleid aussah. Meine Geschichte und dieser Unfall, die sind ja echt und im Leben auch eine echte Belastung – aber im Film gar nicht. Es kann ja gar nicht schlimmer kommen als im echten Leben.
Jürgen Vogel hat gesagt, er habe noch nie einen deutschen Film mit einer so starken weiblichen Hauptfigur gesehen…
Roche: Der ist toll, oder? Auf den stehen wirklich alle Frauen, die ich kenne. Ich glaube, der könnte am Tag mit 500 Frauen schlafen. Und da hat er auch Recht. Seit Jahren beklagen Schauspielerinnen sich, dass sie nichts angeboten bekommen. Die kommen dann zu mir und bedanken sich dafür, dass sie dank meiner Bücher solche Frauenfiguren spielen dürfen. Jetzt, bei meinem dritten Buch, denke ich den Film auch schon gleich mit.
Woran liegt es denn, dass diese Rollen fehlen?
Roche: Wahrscheinlich einfach daran, dass es in der Filmbranche noch zu viele Männer gibt.
Auch bei der Verfilmung Ihres Buches sind Produzent und Regisseur Männer…
Roche: Ja, aber das ist mir erstmal gar nicht aufgefallen. Es wäre ja ein umgekehrter Sexismus, wenn ich beim Verkauf der Rechte Männer ausschließen würde, nur weil sie Männer sind. Ich fand einfach, dass die mein Buch am besten verstanden hatten. Die hatten einfach die geileren Ideen zu diesen Frauenthemen und der Film hat ja trotzdem eine total weibliche Sicht.
Warum geht es denn in Ihrem dritten Buch – und wann kommt es auf den Markt?
Roche: Das Gute oder auch das Problem ist, dass mein Verlag mich sehr gut behandelt und mir keine Deadline setzt. Das heißt, ich dödle so vor mich hin und werde dann auch noch ständig abgelenkt, weil wieder ein Film ins Kino kommt oder so. Aber nächstes Jahr, glaub ich, bin ich fertig. Ich will nicht so viel verraten, aber es kommt auf jeden Fall eine Frau vor – und eigentlich muss man mehr ja auch nicht wissen.
Vielen Dank für das Gespräch. Archiv
[Britta Schultejans/das]
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