Carlo von Tiedemann ist Kultmoderator und NDR-Urgestein. Seine TV-Auftritte in der legendären „Aktuellen Schaubude“ machten ihn auch bundesweit bekannt. Nun feiert er seinen 80. Geburtstag und gibt Einblick in sein Leben voller Höhen und Tiefen.
Markante Stimme, Schnauzer und viel Humor: Entertainer-Legende Carlo von Tiedemann wird am 20. Oktober 80 Jahre alt. Er ist eines der prominentesten Gesichter des Norddeutschen Rundfunks (NDR), bei dem er bereits 1971 startete. Tiedemann moderierte zahlreiche Radio- und Fernsehsendungen und wurde in den 1970er Jahren mit der damals im Ersten ausgestrahlten „Aktuellen Schaubude“ deutschlandweit bekannt. Sein Erfolgsrezept: „Ich war immer authentisch, habe mich nie verstellt“, sagt das NDR-Urgestein der Deutschen Presse-Agentur. Noch heute sitzt Tiedemann beim Radio hinterm Mikrofon.
Der runde Geburtstag ist für ihn etwas ganz Besonderes: „Ich habe in mir eine große Dankbarkeit, dass ich einmal 80 Jahre alt werden durfte und dass mir zum anderen ganz viele gefolgt sind – ich habe drei Generationen unterhalten“, sagt Tiedemann, der zu einer großen Party mit 200 Gästen in die legendäre Kneipe „Ritze“ auf der Reeperbahn eingeladen hat. Erwartet werden jahrelange Freunde und Prominente wie Udo Lindenberg, Peter Maffay oder Otto Waalkes. „Es wird eine ganz bunte Mischung“, sagt Tiedemann voller Vorfreude.
Carlo von Tiedemann hat sich nie verstellt
Der NDR gratulierte bereits am 14. Oktober um 20.15 Uhr im Fernsehen mit dem Geburtstagsfilm „Sensationell und schönes Arbeiten! – Carlo von Tiedemann“, in dem alte Ausschnitte an seine lange Karriere erinnern und viele Wegbegleiter zu Wort kommen. „Carlo ist eine große Wundertüte“, sagt NDR-Intendant Joachim Knuth in dem Film. „Er hat eine beachtliche Improvisationsgabe und sich immer wieder neu erfunden. Seit mehr als fünf Jahrzehnten ist er einer der prägenden Köpfe unseres Hauses – das wird bleiben.“
Als Spross eines preußischen Adelsgeschlechts wurde Carl Ferdinand Hanns-Joachim Franz Friedrich von Tiedemann 1943 im pommerschen Stargard geboren. In den Wirren des Zweiten Weltkriegs musste die Familie Ende 1944 ihr Gutshaus verlassen und nach Holstein flüchten. „Ich hatte wunderbare Eltern“, erinnert sich Tiedemann. Nach einer Lehre als Verlagskaufmann arbeitete er als Zeitungsreporter und Südamerika-Korrespondent, bevor er dann vor 52 Jahren zum NDR kam. „Ich verdanke dem NDR alles“, sagt Tiedemann, der heute mit seiner zweiten Ehefrau in Quickborn bei Hamburg lebt und 2020 für sein soziales Engagement mit der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet wurde.
Nicht nur in tausenden Hörfunksendungen, darunter „Hamburg am Mittag“ und „Große Freiheit“, verbreitete er im Laufe der Jahre gute Laune, sondern wurde auch mit TV-Shows wie „Deutscher Musikladen“, und „Eurotops“ zum Publikumsliebling. 1976 stieg er an der Seite von Alida Gundlach in die große Samstagabend-Fernsehunterhaltung ein. Familien versammelten sich zur „Aktuellen Schaubude“ vor dem Fernseher, in der zahlreiche Weltstars zu Gast waren. „Das war ein absolutes Muss für die Leute. Wir hatten keine Konkurrenz“, sagt Tiedemann. „Wenn wir unter 30 Prozent hatten, dann waren wir traurig.“
„Sensationell!“
An die ersten 20 Jahre beim NDR denkt Tiedemann besonders gerne zurück. „Die 70er und 80er Jahre waren unfassbar, weil wir Herr über uns selbst waren, eigentlich machen konnten, was wir wollten“, berichtet er. „Ein überaus buntes, verrücktes Radio mit Riesenquoten. Die Musikmischung spielte überhaupt keine Rolle. Du konntest Heino spielen und danach AC/DC – Du musstest nur erklären, warum.“ Aussprüche wie „Sensationell!“ und „Jupp, jupp – schönes Arbeiten!“ sind sein Markenzeichen.
Gerne erinnert sich Tiedemann an die Ungezwungenheit und den Zusammenhalt, wenn er mit Kollegen nach Dienst zum „fröhlichen Trinken“ – manchmal auch unterm Tisch – zu der damals bekannten Musikkneipe „Onkel Pö“ weiterzog. Oftmals saß er nach wenig Schlaf am nächsten Morgen wieder im Sender. „Ich bin um dann um 9.00 Uhr vor das Mikrofon getreten und habe erklärt: ‚Es ist besser für uns alle, wenn ich jetzt eine halbe Stunde nichts sage.‘ Die Leute mochten diese Ehrlichkeit.“
Doch das schillernde Leben im Show-Geschäft hat Folgen: Mit einer Drogenaffäre, Spielsucht und Schulden gerät er in die Schlagzeilen. „Darüber möchte ich nicht mehr sprechen“, sagt der vierfache Vater. Geholfen hat ihm in dieser schwierigen Phase sein tiefer Glaube zu Gott, ist Tiedemann überzeugt.
Seinen Moderatoren-Job durfte er trotz der Skandale behalten. „Damals, als ich mit Recht in den bösen Schlagzeilen war, erreichten den NDR hunderte, wenn nicht sogar tausende Anrufe und Zuschriften mit dem Tenor ‚Lasst uns Carlo‘. Das hat mir den Strick vom Hals genommen.“
2025 fällt der Hammer
Immer wieder hatte der Moderator auch mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Wie geht es ihm heute? „Es ist immer noch nicht, wie es sein sollte“, sagt Tiedemann. „Ich habe immer noch große Schwierigkeiten mit dem Gehen.“ Aber einen Rollator brauche er inzwischen nicht mehr. „Ansonsten fühle ich mich pudelwohl.“ Live moderiert Tiedemann inzwischen nicht mehr, aber immer samstags können ihn seine Fans in der Radiosendung „Carlo kennt sie alle“ auf NDR Schlager sowie in der gleichnamigen Rubrik auf NDR 90,3 hören.
„Durch diese neue Sendung habe ich einen inneren Schub bekommen – der Charme besteht darin, dass ich Leute anmoderiere, die ich alle persönlich kenne – ob nun Tony Holiday oder Bata Illic, ich kann zu jedem was erzählen“, sagt Tiedemann. Noch bis September 2025 hat er einen Vertrag beim NDR. Dann solle aber Schluss sein. „2025 fällt der Hammer.“
[Stephanie Lettgen]