„Borowski“-Tatort: Heute Abschied von Kommissarin Sarah Brandt

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Brutale Gewalt und verbale Tiefschläge zum Kieler „Tatort“-Abschied: Sibel Kekilli spielt in „Borowski und das Fest des Nordens“ nach sieben Jahren zum letzten Mal Kommissarin Sarah Brandt an der Seite von Axel Milberg als Chef. Der Film ist nichts für zart Besaitete.

Sie brüllen sich an, schubsen und beleidigen sich: Das Kieler „Tatort“-Ermittlerduo Kommissar Borowski (Axel Milberg) und seine Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) ist nach sieben Jahren und 14 Episoden buchstäblich am Ende. In ihrem letzten gemeinsamen Krimi „Borowski und das Fest des Nordens“, den die ARD am heutigen Sonntag um 20.15 Uhr passend zur Kieler Woche ausstrahlt, spüren die beiden, mehr gegeneinander als miteinander ermittelnd, einen ebenso verzweifelten wie brutalen Mörder in Kiel auf.
 
Die Vorlage für den düsteren Krimi, der mehr eine Geschlechter- und Psychostudie ist, schrieb noch der 2015 gestorbene schwedische Bestsellerautor Henning Mankell, das Drehbuch verfasste der „Tatort“-bewährte Markus Busch.

Kekilli, international erfolgreiche Schauspielerin („Gegen die Wand“, „Game of Thrones“) hat sich entschlossen, nach sieben Jahren den „Tatort“ zu verlassen. „Es braucht natürlich eine Portion Mut, nicht weiter zu machen, aber ich möchte als Schauspielerin wieder mehr Freiraum für andere Projekte und Rollenangebote haben“, begründete Kekilli – sie wird am 16. Juni 37 – bereits im Februar ihren Ausstieg in der „Süddeutschen Zeitung“. Mit ihrer Rolle habe sie sich sehr verbunden gefühlt. Sie habe mit ihr viele Kämpfe durch- und überlebt. „Nun ist es jedoch mein Wunsch, ihr Lebewohl zu sagen.“
 
Aber davor steht ein ganz großer Auftritt, bei dem Kekilli als Sarah Brandt im immer wieder aufflammenden und schließlich eskalierenden Streit mit Borowski ihre ganze schauspielerische Bandbreite ausspielen kann. „Ich mach‘ Sie fertig, Borowski, ich mach‘ Sie fertig!“, schreit Sarah Brandt, die das Macho-Gerede ihres Chefs satt hat. Der kontert: „Jetzt reicht es aber. Dann holen Sie sich einen Orden und verschwinden aus meinem Leben. Hauen Sie ab!“
 
Männer und Frauen können irgendwie nicht miteinander. Das ist eine unterschwellige Grundthese, die auf verschiedenen Ebenen diesen Krimi wie ein roter Faden durchzieht. Der Täter ist ein im Leben gescheiterter Mann Mitte Vierzig (überragend verstörend: Misel Maticevic) – keine Wohnung, kaputte Ehe, aus dem Job geflogen, kein Geld. Die Kinder leben bei der Ex-Frau; eine uneheliche Tochter bei der Ex-Geliebten. Seine Ex-Frau schmeißt ihn raus, als er plötzlich auftaucht. Wenig später klammert sich heulend eine Geliebte an ihn, er erträgt das nicht, erschlägt sie. Später ersticht er kurznervig einen Dealer in dessen Wohnung, ein Bekiffter schaut teilnahmslos zu.
 
Die wohl atemberaubendste wie surrealste Szene ist sechs Minuten lang: Der Täter will sich von einem fiesen Bekannten (zum Kotzen widerlich: Ronald Kukulies) erneut Geld leihen und wird gedemütigt. Dabei trägt der Bekannte einen Säugling an der Schulter, jede Sekunde ist mit einem Gewaltausbruch zu rechnen. Am Ende sind beide Männer schwer verletzt, selbst das Zusehen schmerzt.
 
Bei den Ermittlungen entfremden sich Brandt und Borowski, vor allem wegen ihrer Sichtweisen als Mann und als Frau. „Nur weil er ein Mann ist, der weinende Frauen schlägt, hören Sie auf, logisch zu sein“, schulmeistert Borowski seine Kollegin bei der Täteranalyse. „Ihr blödes Macho-Gehabe nervt langsam“, giftet Brandt zurück. „Wissen Sie was: In Wirklichkeit sind Sie genauso beziehungsgestört wie er.“
 
Und in der Tat ist Borowskis Privatleben recht überschaubar. In einem Lokal ordert er gern noch eine zweite Flasche Rotwein, um dann mit der asiatischen Bedienung auf den Schultern über die Vergnügungsmeile der Kieler Woche zu torkeln.
 
Was Borowski unbedingt ergründen will: Der Täter hat ihn, schon bewusstlos, aus einer brennenden Wohnung gezogen? Warum rettete er ihn? Am Ende kommen sich Täter und Borowski nahe. Es ist ein schmaler Grat zwischen Mörder und Ermittler. Nur weil er sie drei Mal am Tag in die Förde schmeißen wolle, sei er doch noch kein Mörder, denn er tue es ja nicht, sagt Borowski im Streit zu Brandt.
 
Der Krimi ist viel mit Steadicam und Handkamera gedreht, in tristen Sozialvierteln Kiels. Viele Szenen sind in dunkle Farben getaucht, umso mehr kommen Silhouetten, Geräusche, Stöhnen oder die Musik zur Geltung. Die brutalen Mord- und Gewaltszenen dürften nicht jedem gefallen. „Für manche mag es wohl ein untypischer „Tatort“ sein und er wird beim Publikum sicherlich verschiedene Reaktionen hervorrufen und vielleicht auch ein bisschen polarisieren“, meinte Kekilli im ARD-Presseheft. Sie findet aber, es ist „ein guter Film geworden“.
 
Borowski alias Milberg (60) wird auch ohne Brandt weiter Mordfälle aufklären. Zunächst ist die 31. Episode „Borowski und das Land zwischen den Meeren“ ohne Kriminalassistentin geplant. Wer künftig an seiner Seite ermitteln wird, will der NDR noch bekanntgeben. [dpa]

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