In Brasilien ist die 12. Staffel des umstrittenen TV-Formats „Big Brother“ bereits angelaufen. Gewollt oder nicht, sorgt sie für Negativ-Schlagzeilen, denn die „Reality-Show“ schockte die Nation mit Bildern einer mutmaßlichen Vergewaltigung.
Das BBB-Haus („Big Brother Brasil“) steht im Westen Rio de Janeiros. Abgeschirmt von der Außenwelt liegt es auf dem „Projac“-Produktionsgelände der TV-Giganten Globo. Acht Männer und acht Frauen müssen dort über Monate miteinander auskommen und das unter 24-Stunden-Live-Kamera-Beobachtung. Das Publikum hebt oder senkt den Daumen über die Teilnehmer. Drei sind schon draußen. Wer übrig bleibt, gewinnt und erhält den Siegpreis von 1,5 Millionen Reais (657 000 Euro) steuerfrei. Die BBB-„Brüder und Schwestern“ genießen bei ihren Fans in Brasilien Star-Status.
Für das Männer-Model Daniel Echaniz (31) aber kam vergangene Woche das jähe Aus ganz ohne Zuschauerabstimmung. Er soll angeblich nach einer Party mit reichlich Alkohol die 23-jährige Monique vergewaltigt haben. Die Geschichte sorgt seit mehr als einer Woche in Brasilien für Schlagzeilen und heftige Reaktionen im Internetforen. Bewiesen ist nichts, doch die Polizei ermittelt. Echaniz soll das Opfer im Schlaf missbraucht haben. Es gibt Zweifel nicht nur an der Tat, sondern auch an den Programmverantwortlichen.
Was geschah? Es war an einem frühen Sonntag, als die Pay-TV-Zuschauer die Skandal-Szene live sahen. In einem dunklen Raum lagen Daniel und Monique im Bett unter einer Decke. Es kam zu „Auf-und-Ab“-Bewegungen, die als Sex gewertet wurden. Allerdings schien Monique schlafend. Der Vorwurf: Daniel machte sich über seine Mitbewohnerin her, die nach reichlich Wodka und Bier angetrunken war. Nicht nur die Zuschauer waren empört, auch die Polizei trat sofort auf den Plan. Die Beamten kamen, beschlagnahmten Aufnahmen und Unterwäsche und befragten Daniel und Monique zu dem Vorfall.
Zwar hatten sich beide auf der Party geküsst, doch bestritten sie, dass es anschließend zu sexuellen Handlungen kam. Zumindest nicht bewusst, schränkte Monique ein. „Er müsste es während meines Schlafes getan haben. Aber dann hätte er einen sehr schlechten Charakter“. Wie dem auch sei, Daniel wurde ausgeschlossen wegen Verletzung der Regeln. Pikant: BBB-Moderator Pedro Bial hatte zuvor Szenen zwischen den beiden mit den Worten kommentiert: „Die Liebe ist schön.“
Doch für viele stellt sich eine ganz andere Frage, und die richtete sich an den Sender. „Der Hypothese folgend, dass es Vergewaltigung war, hätte der Verantwortliche für die (24-Stunden-)Beobachtung des Hauses sofort eingreifen müssen, um dem Opfer zu helfen“, gab die Rechtsanwältin Janaina Paschoal in der Zeitschrift „Veja“ zu bedenken. Sie verwies auf den Tatbestand der „unterlassenen Hilfeleistung“.
„Der schlechte Geschmack und die Vulgarität der Reality-Shows locken die Zuschauer, doch das Publikum schluckt nicht alles. Der Sex-Fall bei BBB ist ein Beweis dafür“, kommentierte „Veja“. Doch auch wenn der Sender im Kreuzfeuer der Kritik steht, sein Motto lautet: Die Show muss weiter gehen. Und so wird weiter vor verspiegelten Kameras geduscht (mit Bikini und in Badehose), auf Partys getanzt, geflirtet und reichlich getrunken.
Um Spannung und Stress unter den freiwillig Eingesperrten zu erhöhen, gibt es Spiele, Auflagen und eine feste Routine. Mittwochs und samstags stehen Partys auf dem Plan, donnerstags kann man sich in einem Wettbewerb zum „Líder“ (Führer) qualifizieren, der dann ein eigenes Zimmer und Vergünstigungen bekommt, wie etwa Sonderrechte beim Essen oder Kinovorführungen.
Es geht auch schlechter: Wer Pech hat, den treffen Sanktionen, wie etwa eine 36-stündige Sonder-Diät: Nur Bananen und Wasser. Dienstags fällt das Publikum die Entscheidung, wer rausfliegt. Was manchen „draußen“ als Alptraum erscheint, ist für einige in der abgeschotteten BBB-Gemeinde offenbar lang gehegter Wunsch: „Alle Tage sind so verschieden. Ich mache neue Erfahrungen. Träumt und lebt mit mir diesen Traum“, schreibt die 35-jährige „Sister“ Fabiana begeistert in ihrem Blog. [Helmut Reuter/su]
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