Klagen über Wiederholungen im Fernsehen gibt es immer wieder. Dabei haben alte TV-Schätzchen oft ziemlich gute Einschaltquoten. Viele Zuschauer sind überzeugte Wiederholungstäter.
Auch viele Moderatoren von Jan Böhmermann über Oliver Welke bis zu den Politik-Talkern wie Anne Will und Frank Plasberg pausieren in den Sommermonaten lieber. Das ist die große Stunde der ollen Kamellen: Dann setzen die Sender auf Altbewährtes, zeigen ganze Serien aus den 90ern noch mal, wiederholen Kinofilme mit jungen Hauptdarstellern, die in der Gegenwart längst graue Haare haben, oder gut abgehangene Klassiker mit Filmstars, für die schon Oma schwärmte.
Oft lautet der Vorwurf gerade an öffentlich-rechtliche Sender, viel zu viele Wiederholungen zu senden. Aber Fernseh-Konservenkost wird nicht verschmäht. Im Gegenteil. Es kommt nicht selten vor, dass eine Wiederholung die besten Einschaltquoten des Tages hat. Manche ältere Folge einer TV-Krimireihe wie „Solo für Weiss“ mit Anna Maria Mühe kommt locker auf mehr als fünf Millionen Zuschauer und lässt die gesamte TV-Konkurrenz damit alt aussehen.
Die erste „Tatort“-Wiederholung, ein Dresdner Fall aus 2016, hatte Anfang Juli 5,68 Millionen – das waren auch nicht viel weniger als die 7,00 Millionen für die letzte Folge vor der Sommerpause, als die Ermittler aus Luzern noch mal ran mussten. Es gibt im Sommer manche Tage, da laufen bei der Mehrzahl der großen Sender um 20.15 Uhr durchweg Wiederholungen – und allein das Erste und das ZDF schaffen es damit auf zusammengenommen acht oder neun Millionen Zuschauer.
Aber Wiederholungen sind kein reines Sommerphänomen, auch wenn die Dosis dann deutlich ansteigt. Sie haben für die Sender gleich mehrere Vorteile: „Neben dem Kostenfaktor zählt noch der Nostalgieeffekt“, sagt die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher. Vertraute Inhalte seien für viele Zuschauer ein positives emotionales Erlebnis.Sender wie ZDFneo das ganze Jahr über mit Wiederholungen erfolgreich
Auch wenn Filme und Serien zunehmend in Mediatheken und Streamingdiensten abrufbar sind, sieht Bleicher dadurch keine gravierenden Auswirkungen aufs klassische Programm: „Die Zahl der Wiederholungen im traditionellen Fernsehen wird durch diese Distributionsformen nicht weniger werden.“
Welche Formate wiederholt werden, erklärt Silvia Maric, Sprecherin von Das Erste, so: „Natürlich wollen wir in erster Linie Filme und Serien wiederholen, die bei der Erstausstrahlung ein großes Publikum begeistert haben und die möglichst noch „frisch“ im Gedächtnis unserer Zuschauer sind.“ Und natürlich sei das auch eine Rechtefrage.
Tatsächlich ist der Anteil der Wiederholungen im Ersten gestiegen: „Im Vergleich – erstes Halbjahr 1999 mit dem ersten Halbjahr 2019 in der Sendezeit von 20.15 Uhr bis 0.00 Uhr – lag der Erstausstrahlungsanteil 1999 bei 87 Prozent der Sendezeit“, erklärt Maric. „In diesem Jahr waren es 76 Prozent.“
Altbewährtes zu senden, hat auch pragmatische Gründe: „Ein klassisches Fernsehprogramm ohne Wiederholungen ist aus meiner Sicht nicht finanzierbar“, sagt Bleicher. „Außerdem bietet sich dem Zuschauer durch Wiederholungen die Möglichkeit, bereits Vertrautes aus neuer Perspektive wahrzunehmen oder im scheinbar Vertrauten Neues zu entdecken.“ Und es sei ein Unterschied, ob man sich „Fluch der Karibik“ mühsam im Irrgarten von Videostreamplattformen suchen müsse oder es sich mal wieder anschaue, wenn es als Wiederholung im TV läuft.
Es gibt Sender, die sind zu jeder Jahreszeit mit Wiederholungen ausgesprochen erfolgreich. ZDFneo gehört dazu. Alte Fälle des in Münster ermittelnden Detektivs „Wilsberg“ sind dort genauso Quotenrenner wie noch ältere Folgen der britischen Krimireihe „Inspector Barnaby“ – und das, obwohl der Sender eine jüngere Zielgruppe hat als das ZDF-Hauptprogramm.
Man wähle aus dem ZDF-Portfolio Programme aus, die ein jüngeres Publikum ansprechen, erläutert der stellvertretende Senderchef Slaven Pipic. Dazu gehörten nicht nur Fiction-Formate, sondern auch Folgen der ZDF-Doku-Reihe „Terra X“ oder der ZDF-Nachrichten-Parodie „heute show“.
ZDFneo-Zuschauer erwarteten Erstsendungen und Wiederholungen ihrer „Lieblingssendungen“ auf unterschiedlichen Plattformen zu unterschiedlichen Zeiten, sagt Pipic. Das „Neo Magazin Royale“ wird dreimal pro Woche wiederholt, „Bares für Rares“ am Tag nach der ersten Ausstrahlung und nostalgische Miniserien wie „Nesthäkchen“ an wiederkehrenden Feiertagen.
„Mit diesem Wiederholungsmix aus eigenen Programmen und ausgewählten Beiträgen schaffen wir ein finanzierbares und abwechslungsreiches Gesamtportfolio“, erklärt Pipic die Senderphilosophie. Dass Wiederholungen bald Geschichte sind, glaubt auch er nicht: „Alle Sender und Plattformen brauchen eine Mischung aus Erstsendungen und Wiederholungen, Events und Repertoire, Marken und Innovationen, um in ihrer Zielgruppe erfolgreich zu sein“, sagt Pipic.
„Gerade gute Sendungen schaut sich der Zuschauer auch öfter an.“[Andreas Heimann]
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