
Noch ein TV-Abschied, der manchen schmerzt. Nach dem Aus für „Das Philosophische Quartett“ macht das ZDF auch beim „Nachtstudio“ das Licht aus. Was sollen Bildungsbürger jetzt noch gucken?
Es ist eine beliebte Beschäftigung geworden, zu behaupten, das Fernsehen verflache zusehends. Dieser Kulturpessimismus kann nerven, doch manchmal scheint er arg berechtigt. Besonders gern schimpft mancher über die mit Gebühren bezahlten öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF. Jetzt gibt es für Intellektuelle wieder ein bisschen neuen Stoff dafür: Volker Panzers legendäre Gesprächssendung „ZDF-Nachtstudio“ wird abgesetzt.
Bereits die zweite intelligente Gesprächssendung stellt das Zweite Deutsche Fernsehen in diesem Jahr von jetzt auf gleich ein. Im Mai wurde nach zehn Jahren „Das Philosophische Quartett“ mit Peter Sloterdijk (64) und Rüdiger Safranski (67) beendet. Nun trifft es – nach immerhin 15 Jahren – die zweite Sonntagabend-Sendung für ein kulturell interessiertes Minderheitenpublikum von nur ein paar hunderttausend Menschen im Land. An diesem Sonntag (00.20 Uhr/Nacht zum Montag) läuft die letzte Ausgabe des „ZDF-Nachtstudios“.
Bereits zum Fernseh-Ende von Sloterdijk und Safranski, die unfreiwillig aufhörten und in Interviews betonten, dass sie sehr gerne weitergemacht hätten, gab es ein – nun ja – wenig subtiles Abschieds-Thema: nämlich „Die Kunst des Aufhörens“. Sloterdijk – vielmehr sein gewitzter Gast Martin Walser – nutzte das Thema, um minutenlang über die Absetzung zu reden und wie schade das alles sei.
Jetzt beim „Nachtstudio“ lautet das Thema „Wie viel Kultur braucht der Mensch heute?“ Und manchem brennt die Frage auf den Lippen: Wie viel Kultur braucht das Fernsehen heute? Und wie viel erlaubt es sich noch? Und: Gibt es noch Sendeplätze zum Sinnieren und Durchatmen? Echte Gespräche statt das übliche Talkshow-Theater? Fo“rmate, die sich nicht dem Quotendiktat und der schnelllebigen Sensations- und Nachrichtenwelt unterordnen?
Während Sloterdijk und Safranski mutmaßten, dass sie wegen ihres Alters gehen mussten, ist es bei Volker Panzer vergleichsweise offiziell. Der erste Satz der ZDF-Pressemitteilung lautete vergangene Woche: „Volker Panzer war 35 Jahre lang als Kulturjournalist für das ZDF tätig. Zum 1. Juli 2012 verabschiedet sich der Leiter und Moderator der ZDF-Gesprächssendung „nachtstudio“ in den Ruhestand.“ Mit seinem Abschied in die Rente werde auch die Sendung, die untrennbar mit ihm als Person verbunden sei, nicht weitergeführt.
ZDF-Kulturchef Peter Arens sagte: „Volker Panzer ist trotz seines immensen Wissens und seiner großen Erfahrung nie der Versuchung erlegen, sich über sein Medium und sein Publikum zu erheben. Sein uneitler Kulturbegriff hat Sendungen entstehen lassen, in denen Denken und Sprache funkeln durften, und die bewiesen, wie einfallsreich und relevant der gebildete Austausch im Fernsehen sein kann.“
Als Ersatz für das „Philosophische Quartett“ (das wiederum Nachfolger des legendären „Literarischen Quartetts“ mit Marcel Reich-Ranicki war (1988 bis 2001)) hat das ZDF ab Herbst eine neue Show mit dem 47 Jahre alten Publizisten und Bestseller-Autor Richard David Precht („Wer bin ich – und wenn ja wie viele?“) angekündigt.
Welches Schema sie haben wird, ist noch nicht zu erfahren. Es soll sich aber formal und inhaltlich vom „Quartett“-Konzept unterscheiden – und wahrscheinlich auch vom „Nachtstudio“, in dem Volker Panzer behutsam seine Gäste befragte, sie gerne aussprechen und ein Thema eindrucksvoll erörtern ließ. [Gregor Tholl/rh]
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