„Auf einmal“: Ein unbekannter Gast

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Von ganz verschiedenen Verhaltensweisen angesichts eines plötzlichen Todesfalls erzählt nun ein Fernsehfilm.

Auf einmal passiert etwas im Leben, mit dem niemand rechnen konnte. Wie genau kennt man dann die Menschen um einen herum, die einem wichtig zu sein scheinen? Wie sie mit einer ungewohnten Situation umgehen, das schildert der Spielfilm „Auf einmal“, der an diesem Freitag (20.15 Uhr) auf Arte zu sehen ist.

Eine junge Frau, Anna (Natalia Belitski), bricht nach einer Party bei Karsten (Sebastian Hülk) bewusstlos zusammen. In Panik rennt der Bankberater zum Krankenhaus um die Ecke, das jedoch geschlossen ist. Als er in seine Wohnung zurückkommt, ist Anna tot. Beim Verhör durch die Polizei gibt er an, diese Frau gar nicht näher gekannt und sie auch nicht angerührt zu haben, obgleich sie eine Quetschung am linken Oberarm hat.
 
Sein Vater (Hanns Zischler) versucht, seinem Sohn zu helfen und die ganze Familie als unbescholtene Bürger darzustellen. Als Karstens Freundin Laura (Julia Jentsch) von einer Reise zurückkehrt, ist sie genauso fassungslos wie ihr Mann und ihre Freundin Judith (Luise Heyer), die Anna mit zur Party gebracht hatte, sie aber auch nicht kannte.
 
Die Handlung des Films wirft viele Fragen auf: Warum hat Karsten nicht schnell die 112 gerufen, statt einfach loszulaufen? Hätte er nicht wissen können, dass das Krankenhaus – an dem er nahezu täglich vorbei gegangen ist – geschlossen hatte? Warum spricht er ohne seinen Anwalt mit der Polizei? Und warum findet Julia eine Strumpfhose von Anna in ihrem Kleiderschrank?
 
Ganz allmählich stellt sich heraus, dass niemand Anna wirklich gekannt hat. Scheinbar zufällig stand sie vor Karstens Haustür. Auch ein Video von der Party, auf der offenbar alle ziemlich betrunken waren, erweist sich nicht als hilfreich. Stattdessen werden allerlei Vermutungen angestellt, und jeder der Partygäste gibt einen ganz anderen Eindruck von Anna wieder, die an ihrem Todestag auch Geburtstag hatte und einen Mann und eine kleine Tochter zurücklässt.
 
Die türkische Regisseurin Asli Özge (42, „Men on the Bridge“) hat auch das Drehbuch zu ihrem ersten deutschsprachigen Film geschrieben, in dem die Dialoge des öfteren improvisiert wirken. Das allerdings liegt daran, dass den Schauspielern (außer Hülk) lediglich ihre eigenen Dialogszenen bekannt waren. Özge macht ein stetig steigendes Misstrauen greifbar, das sich unter den Freunden und in der engen westfälischen Kleinstadt (gedreht wurde in Altena im Sauerland) überhaupt breit macht. Es wird schon mal geschrien in ihrem Drama, die Türen knallen, die Wohnung ist düster, und über der Stadt scheint nahezu ständig eine bleischwere Gewitterstimmung zu liegen.
 
Sebastian Hülk (43, „Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte“, „Gladbeck“) liefert eine eindrucksvolle Vorstellung ab von einem Mann, der versucht, um seinen guten Ruf zu kämpfen und sich – im Gegensatz zu seinem Vater – dabei ständig zu fragen scheint, was das wohl genau sein soll. Er verleiht seiner Figur, die sich einem Gerichtsprozess wegen unterlassener Hilfeleistung stellen muss, eine zunächst stille Hoffnungslosigkeit, die sich später in wütende Abgeklärtheit wandelt. Laura – von Julia Jentsch auch glaubhaft gespielt – hingegen reagiert zunehmend irritiert und verlässt ihren Freund. Das Ende des mit vielen langen Einstellungen inszenierten Films ist nicht nur überraschend, sondern zeigt auch, dass auf einmal jegliche Fassade zerbröselt.

[Klaus Braeuer]

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