Was macht Freundschaft aus? Ist es das Gefühl füreinander? Oder sind es gemeinsame Erlebnisse? Ulrich Matthes und Justus von Dohnányi finden in „Freunde“ heute Abend überraschende Antworten.
Am Tag der Beerdigung von Patricks Frau Anja steht Malte im Elternhaus seines Freundes, den er 35 Jahre nicht gesehen hat. Eigentlich hat sich der Witwer gerade das Leben nehmen wollen. Die beiden kommen ins Gespräch. Es wird klar, dass sie weitaus mehr verbindet als die bittersüße Erinnerung an die gemeinsam verbrachte Kindheit und Jugend in der Provinz.
„Glaubst du, es gibt ein Alter, in dem man keine neuen Freunde mehr kennenlernt“, fragt Malte (Ulrich Matthes) seinen Jugendfreund Patrick (Justus von Dohnányi), den er Jahrzehnte nicht gesehen hat. „Ich habe keinen einzigen Freund“, antwortet dieser. „Vielleicht liegt das an den Dingen, die man in unserem Alter nicht mehr gemeinsam macht“, mutmaßt er. Baumhäuser bauen, Mix-Tapes aufnehmen, Sexheftchen tauschen und Mofas frisieren, sind Dinge, die man in der Jugend teilt – und nicht als gestandene Mittfünfziger.
Aber sind es tatsächlich Erlebnisse dieser Art, die es braucht, um ein Fundament für eine Wahl-Verbindung im Leben einzugehen? Was ist das Wesen der Freundschaft? Und: Kann man nach einer langen Zeit ohne Kontakt einfach wieder da anknüpfen, wo man aufgehört an? Das sind die Fragen, an denen sich die beiden einzigen Figuren des Kammerspiels „Freunde“ diesen Mittwoch (20.15 Uhr, ARD) in 91 Minuten abarbeiten. Am Sonntag läuft der Film auch bei One. In der Mediathek ist er nach Ausstrahlung im Ersten abrufbar.
Kammerspiel im Elternhaus
Es gibt nur einen einzigen Schauplatz in diesem Film – nämlich das Elternhaus von Patrick, in dem er die letzten Monate mit seiner Frau – bis zu deren Krebstod – gewohnt hat. Das Haus wirkt seltsam konserviert und starr. Die Einrichtung ist ein Mix aus neueren Ikea-Modellen und 60er-Jahre-Mobiliar. Das einzige Leben, das in diesem Haus noch herrscht, ist die alte Schildkröte Bruno mit ihren bräsigen Bewegungen. Auch Malte kennt das Ur-Tier noch aus Zeiten, in denen er in diesem Haus ein- und ausgegangen ist.
Am Tag der Beerdigung von Patricks Frau Anja kommt er in dieses Haus und verhindert so den Suizid des alten Freundes, der mit dem Leben fertig ist. Doch Malte, der mittlerweile als Single in Stuttgart lebt und einen Buchladen betreibt, wird nicht müde, in Gesprächen in der darauffolgenden Nacht für das Leben zu werben. „Wir sind nicht fett, haben noch Haare und jede Menge Lebenserfahrung. Warum soll da nichts mehr gehen?“, sagt er. „Ich fühle mich viel jünger als ich bin.“ – „Ich bin viel jünger als ich mich fühle“, kontert Patrick müde und desillusioniert.
Können Mitfünfziger überhaupt noch Freunde haben?
Als Zuschauer bekommt man ein bisschen Angst, dass es mit den Plattitüden der beiden nicht mehr ganz so jungen, aber noch nicht wirklich alten Männern so weiter geht. Aber man hat sich vergeblich gesorgt. Denn es ist erstaunlich, wie anregend und inspirierend die folgenden Dialoge sind. So dass man sich als Zuschauer selbst zu fragen beginnt, wie es denn um die eigene Einstellung zu diesem Thema bestellt ist. Es ist nun mal so, dass die vielen gemeinsam erlebten ersten Male in einem jungen Leben, durch die Freunde einander begleiten, eine starke Bindung zueinander erzeugen, die ein ganzes Leben als tragende Säule zwischen zwei Menschen fungieren kann.
Aber es sind nicht nur viele Erfahrungen und Erlebnisse, die Malte und Patrick hier verbinden, denn man erfährt, dass auch Malte in der Jugend mit Patricks verstorbener Frau zusammen war, bevor diese sich in seinen Freund verliebte. Und dann gibt es da auch noch den Sohn Vincent. Das ersehnte Kind von Patrick und Anja, das neun Monate nach einem kurzen Treffen zwischen den Ex-Verflossenen, Malte und Anja, das Licht der Welt erblickte. „Wir haben ein Kind zusammen!“, ruft Malte freudig, als er von der Vaterschaft in der Nacht erfährt.
Es gibt also genügend Gesprächsstoff zwischen den beiden. „Wärst du jetzt lieber tot?“, fragt Malte seinen Freund am Ende der gemeinsamen Nacht in Patricks Elternhaus. „Nö“, antwortet dieser. Was für eine schöne Liebeserklärung an seinen Freund.
[Antje Raupach]
Bildquelle:
- Freunde: ARD
- df-FREUNDE: ARD-Foto