60 Jahre Eurovision: Von der Narzisse zur Wurst

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Bild: Destina - Fotolia.com
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Seit 1954 schalten sich Fernsehsender aus Europa zu besonderen Events zusammen, um diese europäischen Ereignisse gemeinsam mit den Zuschauern zu begehen. Was vor 60 Jahren ganz harmlos mit Narzissen anfing, bewegt sich heute auch schon mal im Travestie-Milieu.

Samstagabend 20.15 Uhr. Ein Kreis von zwölf funkelnden Sternen auf blauem Grund erscheint. Da geht die Fanfarenhymne schon los. 16 Sekunden lang ertönt die pompöse Barockmelodie. Man sieht und hört, es ist wieder Zeit für Eurovision. Ob „Wetten, dass..?“, Eurovision Song Contest oder Neujahrskonzert: Seit genau 60 Jahren schalten sich Fernsehsender in Europa – mal mehr, mal weniger feierlich – zu besonderen Ereignissen zusammen. Am 6. Juni jährt sich der erste Sendetag 1954.

Das allererste dieser Events wäre heute kein Quotenhit. Es war die Übertragung des Narzissenfestes in Montreux aus der Schweiz in sieben andere Länder. „Der Kern der Eurovisions-Strategie, durch zeitgleiche Ausstrahlung Europa als Fernsehpublikum zu vereinigen, erwies sich als Stärke und Hypothek zugleich“, schrieb der Medienwissenschaftler Jens Ruchatz in dem Buch „Medienkultur der 60er Jahre“. „Damit hatte man eine Vorentscheidung für Live-Übertragungen getroffen.“ Und das hieß: Man lief schneller in Gefahr, die Zuschauer zu langweilen. Das erklärt den Akzent der Eurovision auf Sport, Shows und Musik.
 
Auslöser der Übertragungsbegeisterung war Königin Elizabeth II. gewesen. Millionen Menschen hatten im Juni 1953 quer durch Europa live am Bildschirm verfolgt, wie die Prinzessin in London gekrönt wurde. Die Zuschauer wollten mehr solcher Spektakel im Ausland sehen.
 
Damit führt eine direkte Linie von einer Queen zu einer Dragqueen: Das heute wohl bekannteste Event mit Fanfare ist der Eurovision Song Contest (ESC), früher Grand Prix genannt. International verfolgten mehr als 120 Millionen Leute jüngst, wie Travestiestar Conchita Wurst den Wettbewerb gewann. In Deutschland waren neun Millionen Menschen an den Bildschirmen dabei. Der ARD-„Musikantenstadl“ und die ZDF-Show „Willkommen bei Carmen Nebel“ sind ebensolche Eurovisionen. Nicht zu vergessen die verblichenen Klassiker: Etwa die ARD-Shows „Spiel ohne Grenzen“ (1965-1990) und „Einer wird gewinnen“ (1964-1987).
 
Weniger bekannt ist, dass auch der päpstliche Segen „Urbi et Orbi“ zu den Eurovisions-Formaten zählt. Doch nicht nur um das seelische Wohl, auch um die Europapolitik macht sich die Kooperation verdient. So übertrug Phoenix jüngst als Eurovision die 90-minütige Debatte der Spitzenkandidaten zur Europawahl – mit simultaner Übersetzung.
 
Das Wort „Eurovision“ hatte 1951 der englische Journalist George Campey im „Evening Standard“ geprägt. Das Prinzip, dass jedes Land der European Broadcasting Union (EBU) den jeweils anderen seine Berichte zur Verfügung stellte, war einleuchtend und wurde ohne schriftliche Vereinbarung auf die Beine gestellt. Erst im Jahr 1988 hielt man es überhaupt für nötig, die Eurovision ausdrücklich in den Statuten der EBU in Genf festzuschreiben. „Eurovision wurde von Sendern für Sender aufgebaut“, wie es EBU-Direktor Graham Warren auf der Webseite des Verbunds formuliert. Heute gehören der EBU und dem Eurovisions-Netzwerk 72 Mitglieder in 56 Ländern Europas, Nordafrikas und Vorderasiens an.
 
Sport spielte hier immer eine große Rolle. Es waren erst Wettbewerbe, an denen allein Amateure teilnahmen – Profisport war in Europa noch die Ausnahme. Folgerichtig wurde bei Fernsehrechten kaum über Geld gesprochen. Das änderte sich mit den Jahrzehnten dramatisch. Stolze 578 Millionen Dollar musste die EBU für die TV-Rechte an Olympia in Turin 2006 und Peking 2008 überweisen. Und auch diese Dimensionen waren den Sportfunktionären irgendwann nicht genug: 2008 kappte das Internationale Olympische Komitee IOC die langjährige Partnerschaft mit der EBU und vermarktete die Rechte in den einzelnen Ländern. Doch bei vielen Sportevents ist die EBU noch immer ein wichtiger Player.
 
Die Fanfare, die bei besonderen Ereignissen seit 60 Jahren zu hören ist, ist übrigens eine Komposition des 17. Jahrhunderts. Sie stammt aus dem „Te Deum“ von Marc Antoine Charpentier (1634-1704). Die Melodie war nicht nur hübsch, sondern auch günstig: Da die Musik nicht mehr urheberrechtlich geschützt war, konnte die Eurovision die ersten Takte des Präludiums gratis zu ihrer Hymne machen. [Christof Bock/das]

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9 Kommentare im Forum
  1. AW: 60 Jahre Eurovision: Von der Narzisse zur Wurst Heute wird das so perfekt zusammen geschaltet, dass man nichts davon merkt. Bin auch immer fasziniert davon, wie man bei den Privaten das Hauptprogramm bei länderspezifischen Werbeblocks auseinander schaltet und dann sekundengenau wieder zurück.
  2. AW: 60 Jahre Eurovision: Von der Narzisse zur Wurst Es handelte sich dabei vor allem um ein aufwändiges Richtfunk Netzwerk, was ab 1954 in Europa aufgebaut wurde. Man darf dabei nicht vergessen, dass es damals noch keine Sattechnik gab und Eurovisionssendungen technisch sehr aufwändig waren... noch heute ist der Programmaustausch die eigentliche Aufgabe der EBU, und nicht wie viele meinen das jährliche Wettsingen. Dieser Gesangswettbewerb wurde als technische Demonstration gegründet, um eben das Netzwerk in voller Aktion präsentieren zu können.
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