Wer sich nach 25 Jahren noch etwas zu sagen hat, hat vieles richtig gemacht. Das trifft auch auf Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl zu, die als Münchener „Tatort“-Duo nicht mehr aus der deutschen TV-Landschaft wegzudenken sind. Das Kino reizt die Schauspieler jedoch nicht, wie sie im Interview verrieten.
Es ist nun 25 Jahre her, dass Miroslav Nemec (61) und Udo Wachtveitl (57) mit dem Film „Animals“ zum ersten Mal als Münchner „Tatort“-Kommissare im Fernsehen auftauchten. Mehr als 70 Episoden später wird dieses Jubiläum am Sonntag (3.4., ARD) mit der Folge „Mia san jetz da wo’s weh tut“ gefeiert – ans Aufhören denken sie nicht. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur in München sprechen die beiden Schauspieler über die Bedeutung des Jahrestages, Champagner und die junge, weibliche „Tatort“-Konkurrenz aus Dresden.
Franz Leitmayr sagt im Film, sein Dienstjubiläum von 25 Jahren interessiere ihn nicht und Champagner wolle er auch nicht. Geht Ihnen das persönlich auch so?
Udo Wachtveitl: Das wurde dem Leitmayr da in den Mund gelegt und das ist eine Antwort auf die Frage, wie man mit der Tatsache, dass auch Batic und Leitmayr und nicht nur Nemec und Wachtveitl seit 25 Jahren miteinander zu tun haben, umgeht. Wir haben uns dann für diese verkürzte, kleine, minimalistische Form entschieden. Wir mogeln uns im Film nicht drumrum, wir machen’s, aber es hat ein bisschen was von ungern geleisteter Pflichtschuldigkeit. Das passt sehr gut zum Fall und das passt auch zu uns. Auch wenn ich persönlich nichts gegen Champagner habe. Es muss aber keine langandauernde Feier sein. Wenn ich ihn schnell trinken darf, ist es mir lieber.
Miroslav Nemec: Du hast ja auch zu Hause diese Aufnahme mit dem Plopp, damit die Nachbarn denken, Du würdest ständig Champagner trinken… Aber ja, wir fanden diese kleine Szene gut, in der alle schon weg sind und die Kommissare mit Espressi aus Pappbechern anstoßen. Damit man sieht: Es geht um die Arbeit und nicht ums Feiern. Ein bisschen hat es auch mit uns zu tun, so wie wir hier sitzen und die ganze Presse kommt und uns darauf aufmerksam macht, dass wir jetzt 25. Jubiläum haben. Und wir denken: Ist gut jetzt, lasst uns mal weiterarbeiten. Lasst gut sein.
Wachtveitl: Der Unterschied ist natürlich, dass Batic und Leitmayr in der Erzählung wirklich 25 Jahre gearbeitet haben – bei uns waren das ja immer nur vier Monate im Jahr. Das heißt: Acht Monate hat man Zeit, um dieser Ehe zu entfliehen – was sie vielleicht stabil macht.
Ist das so? Sind Sie froh, wenn Sie sich nach einem Dreh nicht mehr sehen müssen?
Nemec: Froh nicht, nein. Aber das hält es frisch.
Wachtveitl: Wir machen ja auch viele andere Sachen, drehen andere Filme, machen Lesungen, schreiben.
Alle Pläne, die Sie machen, müssen Sie um die drei „Tatorte“ im Jahr herum machen. War Ihnen das mal ein zu enges Korsett?
Wachtveitl: Vier Monate im Jahr sind für mich ideal. Ich könnte auch mit zwei „Tatorten“ im Jahr leben, aber drei sind wirklich perfekt. Da bleibt Zeit für Freizeit, Freunde…
Nemec: …und Familie – gibt’s ja auch noch.
Wachtveitl: Der „Tatort“ ist eine der wenigen Qualitäts-Produktionen im deutschen Fernsehen, wo noch experimentiert werden kann. Wenn man sich entschließt, das zu machen, gibt es Vorteile und Nachteile, zum Beispiel dass manche einen vielleicht in eine Schublade stecken. Aber das gehört dazu, wie beim Schreiner, dass er sich manchmal eine Fingerkuppe abfräst.
Haben Sie Lieblings-Episoden?
Wachtveitl: Die sind zum großen Teil deckungsgleich. Wir können uns bestimmt einigen auf „Nie wieder frei sein“, „Frau Bu lacht“, „Mörderisches Märchen“…
Nemec: „Der oide Depp“ war super und „Der tiefe Schlaf“. Ich fand „traurigen König“ auch gut. Und „Wir sind die Guten“.
Wachtveitl: Stimmt. Es gibt aber auch welche, die wir gar nicht mögen.
Welche?
Nemec: „Sommernachtstraum“ war wirklich schlecht!
Wachtveitl: Miserabel war der! Der ist aber, zum Glück, echt schon verjährt und hat nur noch Skurrilitätswert. Schrecklich fand ich auch „Klang der toten Dinge“, oder wie der hieß – ein Esoterik-„Tatort“. (Anmerkung der Redaktion: Der Film hieß „Gesang der toten Dinge“)
Und woran lag es, dass die schlecht waren?
Wachtveitl und Nemec: Am Buch!
Wachtveitl: Das Filmhandwerk in Deutschland hat sich stark professionalisiert. Was nicht immer rundläuft, ist die Stoffentwicklung. Vielleicht hat das auch mit gewissen institutionellen Gewohnheiten zu tun. Die Leute sind immer noch nicht bereit, für etwas Immaterielles wie eine gute Geschichte gutes Geld zu bezahlen.
Jetzt gab es ja kürzlich einen Kino-„Tatort“. Wär das auch was für Sie?
Wachtveitl: Nö! Wer soll wegen uns ins Kino gehen?
Nemec: Wozu? Warum? Was ist der Sinn der Sache? Wenn bei uns zehn Millionen zuschauen, dann sind das mehr, als ins Kino gehen würden.
Wachtveitl: Die eigentlich spannenden Sachen, die nicht auf Nummer sicher gehen müssen, passieren derzeit im Fernsehen, in amerikanischen Serien zum Beispiel. Das hat sich verlagert. Es ist schon lange nicht mehr so, dass das Kino die Königsdisziplin ist, jedenfalls nicht hier. Vom Experimentalfilm ist im deutschen Kino ja nichts mehr übrig geblieben. Das gibt es vielleicht noch in so einem Festival-Zyklus. Aber das wäre mir vom Anspruch her auch zu wenig, einen Film zu machen, der aus diesem Festival-Ghetto nicht rauskommt. Wenn ich was Gutes gemacht habe, will ich, dass das viele Leute sehen.
Beobachten Sie andere „Tatort“-Teams? Haben Sie eine Top Five?
Nemec: Nein, das würde man so auch nie sagen. Es ist bei mir rein zufällig, wenn wir sonntags einen „Tatort“ schauen. Meine Frau guckt lieber rein als ich, aber manchmal setze ich mich dazu. Den neuen Dresdner habe ich gesehen, den Anfang…
Und wie fanden Sie den?
Nemec: Naja. Mein Problem ist: Es waren drei Frauen, die alle ein bisschen zu viel gemacht haben. Gut, wir haben am Anfang auch zu dick aufgetragen. Das ist okay. Aber die Männer: nur blöd. Wozu? Warum?
Wachtveitl: Na, Revanche für Hunderte Jahre Frauenunterdrückung vielleicht…
Nemec: Nee, das ist mir zu viel. Warum? Das haben sie nicht nötig. Eine Frau wird nicht stärker, wenn die Männer doof sind. Ein schwacher Gegner ist kein guter Gegner.
Vielen Dank für das Gespräch.[Britta Schultejans/buhl]
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