Kleiner Sender, große Namen: Radio Bremen ist vielleicht der kleinste ARD-Sender, muss sich aber nicht vor den anderen Rundfunkanstalten verstecken – im Gegenteil. Oft von finanziellen Nöten geplagt, konnte er sich in 75 Jahren mehr als behaupten. Mit dem Funkhaus an der Weser sind große Formate und Namen verbunden.
„Hier ist Radio Bremen“ – mit diesem schlichten Satz sowie dem Segen und der Lizenz der US-Alliierten ging der Sender am 23. Dezember 1945 erstmals offiziell on air. Seit der ersten knisternden Radio-Übertragung entwickelte sich das ARD-Gründungsmitglied RB zu einer Landesrundfunkanstalt mit mehreren Radioprogrammen, Fernseh-Magazinen, TV-Dokus, Filmen und Magazinen, Podcasts und Online-Angeboten. Auch ein gewisser Jan Böhmermann, seinerseits gebürtiger Bremer, machte seine ersten journalistischen Schritte ab 1999 bei Radio Bremen. Später kehrte für die Moderation der Call-in-Show „Lateline“ noch einmal von 2010-14 an die erste Wirkungsstätte zurück. Hier nun aber einige Highlights aus den Jahrzehnten zuvor:
„3nach9“
Radio Bremen feierte schon im November 2019 den 45. Geburtstag der dienstältesten Talkshow im deutschen Fernsehen „3nach9“. Giovanni di Lorenzo moderiert die Live-Show in wechselnden Teams schon seit 1989, seit 2010 gemeinsam mit Judith Rakers. Seit der Erstsendung 1974 waren es 40 Moderatoren und mehr als 4.000 Gäste. Unvergessen bleibt, wie der Ex-Kommunarde Fritz Teufel den Bundesminister Hans Matthöfer (SPD) im Februar 1982 aus einer Wasserpistole mit Zaubertinte beschießt. In der Sendung gerieten auch schon mal eine Prostituierte und eine Feministin handfest aneinander. Gefühlt waren alle im Studio: Angela Merkel, Manfred Krug, Gerhard Schröder, Uwe Seeler und Tausende andere. „Wir können mit der Sendung zeigen, wie bunt die Welt ist“, sagte di Lorenzo zum Jubiläum.
„Beat Club“
Beat-Musik und Go-Go-Girls im tiefseriösen, aber doch ziemlich verstaubten Öffentlich-Rechtlichen? Der damalige Ansager und spätere „Tagesschau“-Sprecher Wilhelm Wieben war sich selbst nicht sicher und warb bei der Erstausstrahlung am 25. September 1965 um Milde bei älteren Zuschauern: „Sie aber, meine Damen und Herren, die Sie Beat–Musik vielleicht nicht mögen, bitten wir um Ihr Verständnis: Es ist eine Live–Sendung mit jungen Leuten für junge Leute.“ Dem Ruf des „Beat Clubs“ folgten Musik-Legenden und Rock-Stars. Johnny Cash, die Bee Gees, die Doors, Jimmy Hendrix, The Rolling Stones, Joe Cocker, Frank Zappa, The Who und unzählige mehr. Sie alle landeten irgendwann bei Moderatorin Uschi Nerke, die gerne in Lackstiefeln und Mini-Rock auftrat. Von 1965 bis 1972 gab es 86 Sendungen.
„Herr Müller-Lüdenscheid!“ – Loriot
Vor dem Funkhaus von Radio Bremen steht die Bronze-Replik des Biedermeier-Sofas, von dem aus Vicco von Bülow alias Loriot seine Sendungen moderierte. Darauf sitzt ein Mops, der an das Loriot-Motto erinnert: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“ Den 2011 verstorbenen Humoristen, Schauspieler und Regisseur verband viel mit dem kleinen Sender an der Weser, wo er bis 1978 seine Sendungen „Loriot I-VI“ produzierte. Jede der rund 45-minütigen Sendungen bestand aus Sketchen und kurzen Zeichentrickfilmen. Dabei entstanden einige seiner berühmtesten Werke – Klassiker der Fernsehgeschichte wie beispielsweise „Das Frühstücksei“, die „Herren im Bad“ oder auch der „Kosakenzipfel“ und die „Nudel“.
„Bitte Band ab!“ – Rudi Carrell
Der gebürtige Holländer war prägend für das Showgeschäft im Fernsehen. Nach Deutschland holte ihn 1965 Radio Bremen und der Entertainer, Sänger und Schauspieler sollte Jahrzehnte mit dem Sender zusammenarbeiten. In den Studios produzierte Carrell die deutsche Version seiner zuvor bereits in den Niederlanden erfolgreichen „Rudi Carrell Show“. In den 70er und 80er Jahren folgten die Familien-Quiz-Sendung „Am laufenden Band“ mit Einschaltquoten von bis zu 74 Prozent. Der Siegerkandidat konnte zum Schluss alle Preise mitnehmen, die er sich von einem vorbei laufenden Band merken und binnen 30 Sekunden aufsagen konnte. Später folgte bei Radio Bremen auch „Rudis Tagesshow“. Carrell starb 2006 in Bremen.
„Ich bin die Beatrix!“ – Hape Kerkeling
Auch den Komiker, Schauspieler und Schriftsteller Hape Kerkeling zog es zu Radio Bremen. Für seine 1989 erstmals im Ersten ausgestrahlte Sendung „Total normal“ verkleidete er sich 1991 als Königin Beatrix der Niederlande und schaffte es winkend im königsblauen Kostüm und Perlenkette in einer schwarzen Limousine mit Bremer Kfz-Kennzeichen bis vor das Schloss Bellevue. „Ich bin die Beatrix. Ich wollte zum Präsidenten, lecker mittagessen“, kann er gerade so noch ankündigen. Danach bitten ihn die Sicherheitskräfte mit einer gewissen Irritation, das Gelände zu verlassen. Bei Radio Bremen fühlte sich Kerkeling wohl. Es sei immer ein besonderer Sender gewesen, sagte er voriges Jahr zum 30-Jahre-Jubiläum vom „Total normal“.
Reflektiert: Auf der Webseite seines TV-Magazins „buten un binnen“ fragt der Sender einen Medienwissenschaftler, was sich an Radio Bremen ändern muss, damit man zukunftsfähig sein kann.[Helmut Reuter]
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