Am Anfang waren es nur eine Handvoll Geräusche, die Fantasie-Außerirdische fremder Galaxien von sich gaben. Vor 40 Jahren – im Jahr 1984 – entstanden dann Wörter, Sätze, ganze Dialoge und eine echte Grammatik. Heute umfasst die Kunstsprache Klingonisch rund 5000 Wörter, die längst viele irdische Wesen erreicht hat. „Es sind schätzungsweise 100 Menschen weltweit, die diese Sprache flüssig sprechen“, sagt Lieven L. Litaer, der seit mehr als 20 Jahren die Sprache der „Trekkies“ unterrichtet. Hinzu kämen Tausende, die Klingonisch lernten und es auch schon sehr gut könnten.
„Ich hätte nie gedacht, dass mal so viele Menschen Klingonisch lernen„, sagte dessen Entwickler, der US-amerikanische Sprachwissenschaftler Marc Okrand, unlängst bei einem Sprachtreffen in Saarbrücken. Der 75-Jährige hat die Sprache der Klingonen im Auftrag des Konzerns Paramount Pictures für die Kultserie „Star Trek“ entworfen. Und zwar mit klarem System. Satzaufbau ist Objekt, Verb, Subjekt. Keine Zeitformen, Verben werden nicht gebeugt. Dafür gibt es aber reichlich Pronomen und Nachsilben.
„Klingonisch wurde mit Absicht als außerirdische Sprache gestaltet und hat deswegen so gut wie keine Ähnlichkeit mit irgendeiner irdischen Sprache“, sagt Litaer. Auch die Aussprache klinge nicht nur fremd, sondern sei auch schwierig. „Weil es sehr viele Kehllaute und viele Zischlaute gibt. Und wenn man die kombinieren muss, ist es anstrengend.“ So heißt „tlhIngan Hol vI-ghoj“: „Ich lerne Klingonisch“.
Immer wieder neue Wörter in Klingonisch
In diesem Jahr jährt sich die Premiere des Films „Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock“ zum 40. Mal. Darin sei erstmals die von Okrand entwickelte klingonische Sprache verwendet worden, sagt Experte Litaer. Im ersten „Star Trek“-Kinofilm 1979 habe es zwar auch ein paar Worte Klingonisch gegeben, die der Schauspieler James Doohan erfunden habe. Diese hätten aber weder Bedeutung noch Grammatik gehabt. „Es waren einfach nur elf Silben“, sagt der 44-Jährige.
Im ersten Klingonisch-Wörterbuch von Okrand (1985) gab es zunächst 1800 Wörter. Sie bezogen sich vor allem auf Science Fiction und Weltraumsituationen. Was fehlte, waren Alltagswörter wie Brot, Bratpfanne oder Tisch, sagte Litaer. Diese kamen dann nach und nach dazu, auch auf Nachfrage der Klingonisten, also der, die die Sprache sprechen wollten. Okrand, der als einziger Wörter für das Klingon Language Institute schöpft, hatte Schülern in Saarbrücken jüngst neue Vokabeln mitgebracht: für Bikini, Sandalen, BH, Biene und Rollkragenpullover. Und die klingonische Schreibweise für Ukraine: ‚uqrayI’na.
Wieso Außerirdisch Spaß macht
Der Gymnasiallehrer Oliver Fechtig aus Stuttgart lernt die Sprache der Klingonen bereits sei 2019. „Ich finde es spannend, weil es ganz anders ist als das, was man kennt“, sagt der 44-jährige Star-Trek-Fan. Vor allem die Grammatik sei für ihn eine Herausforderung. „Es macht total Spaß“, sagt der Mathe- und Physiklehrer. „Für mich ist es eine Erweiterung des Spektrums. Ich wollte mal was ganz anderes machen.“
Raik Lorenz ist aktiv seit 2002 dabei. „Die Community ist großartig. Ich mag das offene Umfeld des Klingonen-Clubs“, sagt er. Die Sprache sei logisch aufgebaut, die Grammatik lasse sich relativ leicht lernen. Die Aussprache sei „Übung und ein bisschen Überwindung“, mache aber Spaß, findet der Student, der Europäische Minderheitensprachen an der Uni Leipzig studiert. Inzwischen hätten sich in der Sprechergemeinschaft auch Dialekte ausgebildet. In den USA klinge das Klingonisch teilweise anders als in Deutschland.
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„Viele lernen es einfach nur, weil es etwas Besonderes ist“, sagt Litaer, der zum Jubiläum zwei neue Bücher herausbringt: Im Frühjahr ein Lehrbuch „Klingonisch auf Conventions“ und Ende des Jahres ein Werk über die Entstehungsgeschichte des Klingonischen. Der Star-Trek-Fan hat schon viele Bücher rund um Klingonisch verfasst. Er hat auch „Der kleinen Prinz“ und „Alice im Wunderland“ ins Klingonische übersetzt.
Ob die Sprache auch etwas aussagt über die Kultur der Klingonen? Ja, unbedingt, meint Litaer. Das Volk sei „nicht unhöflich, aber sehr direkt“. Die Wörter „bitte“ und „danke“ gebe es nicht. Man sage daher: „Gib mir das Brot!“ Und wenn man jemanden treffe, begrüße man nicht, sondern sage „nuqneH“ – was so viel heißt wie: „Was willst du?“
Klar – als Klingonisch-Lernender ziehe man auch Verwunderung auf sich. „Aber keine Sorge! Wir laufen nicht den ganzen Tag in Alu-Hüten rum, beten irgendwelche außerirdischen Gottheiten an und warten darauf, von ihnen abgeholt zu werden“, sagt Litaer. Man sei sich bewusst, dass „Star Trek“ nur eine Sendung sei und es keine Klingonen gebe. Klingonisch zu lernen mache einfach nur Spaß. So wie andere Hobbys auch. „Man kann sich ja auch fragen, ob es sinnvoll ist, Briefmarken zu sammeln oder einen Töpferkurs zu besuchen.“
Birgit Reichert, dpa
Bildquelle:
- gorkon: Paramount