Von „Alles Nichts Oder?!“ über „Tutti Frutti“ und „Samstag Nacht“ bis hin zu „Genial daneben“. Niemand in Deutschland steht so sehr für anarchische Unterhaltung wie Hugo Egon Balder.
Hugo Egon Balder ist Moderator, Musiker, Schauspieler, Kneipier, war der „Herr der Möpse“ und hat einen Schlager über ein Strumpfband gesungen. Warum? Weil er es kann. Hugo Egon Balder hat als Teil einer Art Friedensgeste an seine Wahlheimat Köln seine Perücke getragen – er war auf einer Karnevalsfeier für wohltätige Zwecke. „Eigentlich bin ich überhaupt kein Karnevalstyp. Genau genommen hasse ich Karneval“, sagt Balder, geboren in Berlin. „Auf Kommando fröhlich, das ist nix für mich.“
Das ist ein bemerkenswerter Satz, denn ein Großteil von Balders Karriere bestand darin, Leuten auf Knopfdruck gute Laune zu bereiten – bei Fernsehshows wie „Alles Nichts Oder?!“, „RTL Samstag Nacht“, „Genial daneben“ oder auch „Tutti Frutti“. Wobei vor allem letztere Sendung gewiss auch andere Funktionen erfüllte.
Über all diese Shows kann Balder spektakuläre Anekdoten erzählen und er tut das auch gerne, obwohl er eher nicht der Typ ist, der im Gestern lebt. Am Sonntag (22. März) wird er 70 Jahre alt. Er ist immer noch sehr beschäftigt, er spielt Theater, in der Regel vor ausverkauftem Haus, was er auch „auf das beschissene Fernsehprogramm“ zurückführt. „Ich hatte mir lange vorgenommen, wieder mehr Theater zu spielen. Das kann ich auch noch machen, wenn ich 80 bin. Fernsehen werde ich in diesem Alter vielleicht nicht mehr machen“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich zeichnet er aber auch ständig weiter Fernsehen auf, nun sogar ein tägliches Quiz („Genial daneben – Das Quiz“). Für das Gespräch wurde ein Termin schon im Februar vereinbart, Karnevalszeit.
Wenn es einen roten Faden in Balders Karriere gibt, dann den Humor. Bei ihm ist es immer lustig. Ansonsten fällt es schwer, das Balder’sche Gesamtwerk auf einen Nenner zu bringen. Sein Haussender Sat.1, der ihm die Geburtstagsshow „Senil daneben – Happy Birthday Hugo!“ (3. April, 20.15 Uhr, Sat.1) schenkt, hat das Begleitheft mit „Der Gaukler“ überschrieben. Balder findet, dass das passt. Die Show ist übrigens längst seit Wochen aufgezeichnet, sogar noch mit Publikum, und kann daher trotz Corona-Krise ausgestrahlt werden.
Er ist Moderator, Schauspieler, Musiker, Mitbesitzer einer Kneipe in Hamburg. Zudem hat er fünfmal geheiratet und in den 70ern Schlager parodiert, als man Schlager noch für eine hochernste Angelegenheit hielt. Den Text von „Elvira, hol‘ dein Strumpfband ab“ deklamiert er gerne: „Elvira, hol‘ dein Strumpfband ab, ich schlaf nicht mehr mit Dir. Und nimm auch deine Mutter mit, was soll die denn bei mir?“
Das Sammelsurium an Jobs hat damit zu tun, dass Balder eine ziemlich gesunde Wurscht-egal-Haltung hat. Er kann Dinge wahnsinnig schnell abhaken, auch wenn sie mal nicht funktionieren. Das macht angstfrei. Es ist die Mentalität, mit der auch das Privatfernsehen groß wurde – und Balder. 1988 startete auf dem damals jungen Sender RTL „Alles Nichts Oder?!“, ein anarchischer Quatsch, bei dem Torten flogen und Balder sich mit seiner Kollegin Hella von Sinnen (61) durchgehend anzickte („Sie magersüchtiges Frettchen“, „Sie fette Schnecke“).
Weiterer Beweis für seine Angstfreiheit: Danach übernahm er eine Show, bei der Kandidaten darum spielten, dass sich junge Frauen aus einem Ballett auszogen. „Tutti Frutti“ (1990 bis 1992) prägte Balders Ruf nachhaltig – er war plötzlich der „Titten-Balder“ und der „Herr der Möpse“. Auch diese Show war recht anarchisch, weil niemand die Regeln verstand. Weil RTL das lustig fand, wurden sie auf Nachfrage aber auch nicht wirklich erklärt.
„Es hat sich alles komplett geändert“, sagt Balder bei Mineralwasser und Kaffee (er hat seinen Alkoholkonsum radikal eingeschränkt) über das Fernsehen. Heute gebe es mehr Meetings, mehr wollten mitreden. Allerdings sagt er das nicht in dem Anklageton, den man von anderen Fernsehleuten kennt. Balder hat ja auch immer weiter gemacht. Seine beste Idee war eine Show, die in den 00er Jahren startete: „Genial daneben“. Komiker rätseln über abseitige und kuriose Fragen. So einfach, so genial.
Eine gute „Genial daneben“-Frage wäre übrigens, wie Balders richtiger Vorname lautet. Antwort: Nicht Hugo Egon, sondern Egon Hugo. Egon hieß auch sein Vater, ein Textilkaufmann. Seine Mutter hieß Gerda, eine Jüdin, die das KZ Theresienstadt überlebte. Warum seine Vornamen umgedreht wurden? Das entschied einst eine Plattenfirma, die es so besser fand. „Wenn mich heute einer Egon ruft, muss er mich sehr lange kennen“, sagt Balder. „Mir war das damals völlig wurscht.“
Bildquelle:
- balder: Sat.1