Günter Lamprecht: Schauspieler mit 92 Jahren verstorben

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Bild: © Printemps - Fotolia.com
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Mit „Berlin Alexanderplatz“ wurde Günter Lamprecht berühmt. Er war spezialisiert auf gebrochene Charaktere und schwierige Existenzen. Aber auch sein eigenes Leben war voller Drama.

Er schlug sich mit Berliner Polizisten die Nächte um die Ohren, setzte sich in schäbige Kneipen, backte drei Wochen lang frühmorgens Brötchen: Wenn sich Günter Lamprecht auf eine neue Rolle vorbereitete, dann stürzte er sich ins Milieu. Als Franz Biberkopf in Rainer Werner Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ oder als kantiger „Tatort“-Kommissar Franz Markowitz schrieb er Fernsehgeschichte. Zu einem umschwärmten Star wurde er allerdings nie – vielleicht waren seine Charaktere dafür zu sperrig. Gestört hat ihn das nicht: Lamprecht wollte einfach nur gute Arbeit abliefern.

Am Dienstag (4.10.) ist Lamprecht im Alter von 92 Jahren in Bonn-Bad Godesberg gestorben, wie seine Agentin der Deutschen Presse-Agentur am Freitag bestätigte. Er hinterlässt seine Frau Claudia Amm und eine Tochter.

Eigentlich hätte auch aus ihm eine verkorkste Existenz werden müssen. Sein Vater, ein Berliner Taxifahrer, war Nazi aus Überzeugung. Länger als vier Jahre ist er nicht zur Schule gegangen. Als Hitlerjunge war er beim „Endkampf“ um Berlin mit dabei. Nach dem Krieg gehörte er zu einer Gang jugendlicher Diebe: „Wir haben geklaut wie die Raben.“

Es folgte eine Ausbildung zum Orthopädiemechaniker. Und dann passiert das Wunder: Eines Nachts sagt ein besoffener Freund zu ihm: „Günter, du musst Schauspieler werden!“ Daraufhin spricht der völlig unbelesene junge Mann bei der Schauspielschule vor – und wird genommen.

Seine einfache Herkunft war ihm immer bewusst: „Ich komme aus dem Proletariat, daraus mache ich keinen Hehl“, erzählte er mal der Deutschen Presse-Agentur. „Ich verstehe die Probleme dieser Leute, darum gelingen mir diese Figuren vielleicht besser.“

Dazu kam, dass sein Leben „von Gewalt begleitet“ war, wie er es ausdrückte. Als 15-Jähriger bekam er in den letzten Kriegstagen unweit der Berliner Reichskanzlei einen Streifschuss ab. Und 1999 entging er nur knapp dem Tod, als er durch puren Zufall zu einem der Opfer eines 16 Jahre alten Amokläufers wurde.

Die Erinnerung daran verblasste nie: Der stahlblaue Herbsthimmel in Bad Reichenhall, er steigt aus dem Auto, die Schüsse. Seine Freundin in einer Blutlache. Er selbst mit Durchschüssen durch beide Arme. Eine Stunde liegen sie dort, bis ein Sanitäter den Mut fasst, sich ins Schussfeld zu begeben und sie wegzuholen. Noch zehn Jahre später träumte er davon, wachte nachts schweißgebadet auf.

Günter Lamprecht spielte über 150 Rollen

Seine erste Film-Hauptrolle spielte Lamprecht 1976 in „Das Brot des Bäckers“ und gewann damit den Lubitsch-Preis. Es folgten weit mehr als 150 Film- und Fernsehrollen, begleitet von zahlreichen Ehrungen. Lamprecht war Träger des Verdienstordens der Stadt Berlin und des Landes Nordrhein-Westfalen. Denn dort blieb der Ur-Berliner irgendwann in der Mitte seines Lebens hängen.

Berlins früherer Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit war nicht der einzige, der ihn immer wieder fragte, warum er denn bloß in diesem Rösberg wohnen bleibe anstatt in seine großartige Heimatstadt zurückzukehren. Lamprechts Begründung dafür ging ungefähr so: Rösberg gehört zu Bornheim. Bornheim gehört zum Rhein-Sieg-Kreis. Und der Rhein-Sieg-Kreis gehört zum Einzugsgebiet von Köln, wo der WDR sitzt, früher einer seiner wichtigsten Arbeitgeber. Außerdem sei Köln nicht so weit vom Ruhrgebiet entfernt. „Und das Ruhrgebiet ist meine zweite Heimat. Neben Berlin natürlich.“

Günter Lamprecht zählte zu den relativ wenigen Menschen, deren Augen zu leuchten beginnen, wenn die Rede auf Oberhausen kommt. „Da schwör ich drauf, auf Oberhausen. Ist mir ans Herz gewachsen.“ Er hatte lange dort gewohnt, Ende der 50er und in den 60er Jahren, als Theaterschauspieler. Oberhausen war damals noch eine echte Malocherstadt. Das gefiel ihm.

In den letzten 20 Jahren seines Lebens machte er sich rar. In der Serie „Babylon Berlin“ war Lamprecht noch einmal als Reichspräsident Hindenburg zu sehen. Weitere Angebote gab es, aber es waren in seinen Augen nicht die richtigen. Mal sollte er den gutmütigen Opa geben, dann war die Story einfach „Schund“. Als er schon auf die 90 zuging, fragte ihn mal ein junger Mann, was er früher von Beruf gewesen sei. „Schauspieler? Ehrlich? Hatten Sie auch mal so richtig ’ne Rolle?“ Nur ein Mensch, der mit sich selbst völlig im Reinen ist, kann so eine Begebenheit mit solcher Heiterkeit erzählen wie er es tat.

Text: dpa/ Redaktion: JN

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  • Trauer-Kerzen-Blumen: © Printemps - Fotolia.com
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