Im Video: Wolfgang Bahro über seine Tätigkeit als Synchronsprecher (Youtube: Media-Paten)
Wolfgang Bahro ist ein sehr netter Mensch, hat aber in der Rolle eines Fieslings die Erfüllung gefunden. Mit 60 blickt er zurück auf ein Leben als Deutschlands größter Vorabend-Schurke. Für die Zukunft wünscht er sich endlich einen Geheimagenten als Gegner.
Wenn man sich mit Wolfgang Bahro unterhält, hat man immer zwei Gesprächspartner. Der eine ist Bahro selbst – der andere ist Jo Gerner. Beispiel? Bahro, der ein sehr netter Mensch ist, hält einen aufrüttelnden Appell für Toleranz und menschliches Miteinander unabhängig von Glaube oder Hautfarbe. Gegenfrage: So etwas würde ein Gerner doch nie tun, oder? Bahro denkt sich sofort in sein zweites Ich: „Ich glaube nicht, dass Gerner rassistisch oder antisemitisch ist.“ Der sei Pragmatiker – und würde eher sagen: „Ist mir vollkommen egal, ob das ein Jude, Moslem oder Christ ist – wenn er mit mir gute Geschäfte und keinen Ärger macht.“
Wolfgang Bahro und Jo Gerner, das ist wie Dr. Jekyll und Mister Hyde: Der eine ist ohne den anderen undenkbar. Der Schauspieler Bahro spielt den intriganten Anwalt Gerner, den Schurken in der RTL-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, seit mehr als 25 Jahren. Er weiß, wie er denkt, maliziös hinter Häuserecken hervorlugt, charmant umgarnt, eiskalt manipuliert. Er macht das fast sein halbes Leben lang. Denn Bahro wird am Freitag (18. September) 60 Jahre alt.
Eins geworden mit der Rolle
Dass viele Deutsche gar nicht mehr auseinanderhalten können, ob nun gerade Bahro oder Prof. Dr. Dr. (hc) Hans Joachim Gerner – „Deutschlands bester Anwalt“ – vor ihnen steht, bereitet ihm glücklicherweise keine Gram. „Dass die Leute mich mit dieser Figur identifizieren, ist vollkommen normal“, sagt er. Götz George war Schimanski, Horst Tappert war Derrick – und er sei für die Leute eben Jo Gerner. Fast triumphierend stellt er aber fest: „Ich werde heute überwiegend mit meinem richtigen Namen angesprochen.“
Wie sehr Bahro mit seiner Rolle im Reinen ist, sieht man an der Biografie, die er mit einem Journalisten verfasst hat. Sie heißt „Immer wieder Gerner. Mein Leben als Bösewicht der Nation“. Bei der Lektüre wird nicht immer ganz klar, ob es nun primär um den intriganten Seifenoper-Strippenzieher oder um den Berliner Spirituosenhändler-Sohn Bahro geht. Es ist immer beides.
Bahro stammt aus gutbürgerlichen Verhältnissen, was man ihm bis heute anmerkt. Er hat ein Faible für Gentleman-Accessoires, wenn man das so nennen will. In der Schule trug er gern Monokel, was ihm den Spitznamen „Der Baron“ einbrachte. Er fährt gern Cabrio und beherrscht den doppelten Windsorknoten mit geschlossenen Augen, daran hat aber auch Gerner maßgeblich Anteil, den er seit 1992 spielt.
Als er zu GZSZ stieß, war die Serie noch jung und wurde von Kulturfeinschmeckern belächelt. Auch Bahro, der von der Bühne kam, verunsicherte das, wie er heute zugibt. Erst musste er zum Casting überredet werden, dann hoffte er auf eine Absage – aber es passte einfach zu gut. Wobei dem Star-Wars-Fan Bahro klar sein durfte, dass sein Anwalt nicht auf der hellen Seite der Seifenoper-Macht zu finden sein wird. In einer allerersten Drehbuchfassung habe Gerner sogar noch den Vornamen Adolf getragen, erzählt er in seinem Buch.
Gerner ist unzerstörbar
In der GZSZ-Welt ist Gerner bis heute unzerstörbar – obwohl er aus dem Fenster fällt, einen Anschlag in der Badewanne überlebt, zeitweise im Rollstuhl sitzt und kastriert werden soll. Allein die ganzen Frauen, die unter Gerner gelitten haben, würden unter normalen Umständen ein erhebliches Bedrohungspotenzial darstellen. Aber nicht bei Gerner, dem Anwalt, Gastronom, Fast-Bürgermeister, Medienmogul und Inhaber einer eigenen Fluggesellschaft namens „GernAir“. Auch wenn ihm – natürlich vollkommen verdient – auch andersherum schon übel mitgespielt wurde. Eine große Liebe etwa betrog ihn mal ausgerechnet auf der Beerdigung seines geliebten Sohnes Dominik.
Bahro selbst hat 1989 seine Barbara kennengelernt, die er bis heute liebt. Das zählt zu den Details, die man in der Biografie findet und die mal nichts mit Gerner zu tun haben. Ein ganzes Kapitel widmet er den Freimaurern, bei denen er aufgenommen wurde. Und er erzählt, wie ihm als junger Schauspieler mal gegen Sex eine Rolle angeboten wurde. Bis heute wisse er nicht, ob das damals ernst gemeint war oder nicht.
Die Zahl 60, die ziehe nun nicht einfach so an ihm vorbei, sagt Bahro der Deutschen Presse-Agentur. „Eine 40 und eine 50, die gehen noch. Mit 60 fängt es an, dass man in ein neues Rollenprofil rein rutscht.“ Wobei das grau melierte Alter eigentlich auch genau das richtige wäre, um ihm einen Traum zu erfüllen. „Ein großer Wunsch von mir wäre es, mal so wie Gert Fröbe, Curd Jürgens, Gottfried John und Christoph Waltz einen deutschen James-Bond-Bösewicht zu spielen.“
Für Gerner hat er sich auch so seine Gedanken gemacht. Er würde gern eine Geschichte mit dessen Mutter erzählen, die noch nie aufgetaucht ist. „So eine Story wäre psychologisch durchaus spannend, weil man auf diese Weise auch viel über Jo Gerner als Kind erfahren könnte.“ Sein Kopf denkt eben immer für zwei Männer mit.