Der Ausnahme-Regisseur David Lynch ist Anfang dieses Jahres verstorben. Er hinterlässt ein mannigfaltiges Werk, das noch viele Generationen an Filmschaffenden und Cineasten begeistern dürfte.
Am 15. Januar 2025 ist David Lynch im Alter von 78 Jahren an einer Lungenkrankheit in Los Angeles verstorben. Als Filmschaffender hat der gebürtige US-Amerikaner Kino– und TV-Geschichte geschrieben mit Werken wie „Blue Velvet“ (1986), „Lost Highway“ (1997), „Mullholland Drive“ (2001) oder der „Twin Peaks“-Serie (1990-91). Seine Kunst hat uns mit einer Menge kryptischem Symbolismus, traumartigen Tiefenwanderungen und einer Faszination für das Unheimliche und Unsagbare viele Mysterien mitgegeben und regt nicht zuletzt dazu an, die vermeintlichen Sicherheiten der eigenen Wahrnehmung zu hinterfragen. Aber Lynch konnte auch anders, im Kleinen, still und berührend.
Ein Tauchgang ins Unterbewusste
David Lynch war ein Meister darin, sein Publikum zu verwirren und vor den Kopf zu stoßen und damit eine einzigartige Faszination hervorzurufen. Wer Filme wie „Mullholland Drive“ oder „Lost Highway“ gesehen hat, wird kaum mit rationaler Logik erklären können, was hier im Detail passiert. Mitten im Film werden plötzlich Charaktere und Schauspieler ausgetauscht. Ganze Szenerien, die vorher aufgebaut wurden, verwandeln sich in etwas grundlegend Anderes und das ohne jegliche Erläuterung. Besonders verwirrend (und zuweilen auch anstrengend) ist das bei David Lynchs dreistündigem Regiewerk „Inland Empire“ von 2006 mit Laura Dern („Jurassic Park“).
Je tiefer man jedoch in diese Welten eintaucht, desto mehr kann sich ein faszinierender Symbolismus entfalten, der vor allem unter dem Gesichtspunkt einer mystischen Traumlogik neue Erkenntnis- und Deutungsräume aufstößt. Auch seine zunächst bodenständiger anmutende Erfolgsserie „Twin Peaks“ mit Kyle MacLachlan begibt sich tief in die Welten des Traums und des Unterbewussten und lässt die Grenzen zum Wirklichen verschwimmen. Auch wenn diese sehr kryptische Art des Erzählens sicher nicht jeden Film-Geschmack trifft, hat David Lynch damit so einige zeitlose Werke geschaffen, die mit jedem neuem Blick und jedem neuen Publikum eine weitere Bedeutung gewinnen können.
David Lynch hat viele Gesichter
Doch David Lynchs Œuvre besteht keineswegs nur aus kryptischen Traumreisen, über die Geisteswissenschaftler Doktorarbeiten schreiben. Lynch kann auch viel direkter und nahbarer sein. Meist macht sich dabei ein starker Hang zur Tragik bemerkbar. Besonders fällt dies bei Lnychs zweitem Regiewerk „Der Elefantenmensch“ von 1980 auf mit Anthony Hopkins („The Father“) in einer der Hauptrollen. Angelehnt an das reale Leben des körperlich extrem deformierten Joseph Merrick, der Ende des 19. Jahrhunderts im viktorianischen London als Jahrmarktsattraktion missbraucht wurde, erzählt Lynchs „Der Elefantenmensch“ heute wie damals eine unmittelbar berührende und tief tragische Geschichte über Empathie und das Ausgestoßensein, die ihrerzeit für acht Oscars nominiert wurde.
Auch nicht zu vergessen ist natürlich David Lynchs „Dune“-Verfilmung (hierzulande als „Der Wüstenplanet“ erschienen) von 1984, die allein schon wegen des durchschlagenden Erfolges der aktuellen Umsetzung des Frank-Herbert-Romans von Denis Villeneuve („Dune: Part One“ und „Dune: Part Two“) wieder in aller Munde ist. Lnychs Version hat zweifellos ihre Schwächen, was nicht zuletzt der auf Jodorowskys Vorarbeit gegründeten Produktions-Odyssee geschuldet ist, besitzt aber besonders in Fragen der Ästhetik und des Designs auch große Stärken.
Und dann gibt es da noch solche Streifen wie das wunderbare Kleinod „Eine wahre Geschichte – The Straight Story“ von 1999, den man mit Blick auf all seine anderen Arbeiten einem David Lynch so gar nicht zugetraut hätte. Hier will der 73-jähriger Rentner Alvin Straight (Richard Farnsworth) seinen schwerkranken Bruder besuchen, mit dem er seit zehn Jahren im Streit liegt. Doch dafür muss er ganze 390 Kilometer zurücklegen. Da er keinen Führerschein mehr hat, schnappt er sich kurzerhand seinen Rasenmäher und tuckert auf diesem in gemütlichem Schritt-Tempo durch die halbe USA. Dieses trotz tragischem Grundtenor meist leichtfüßige Roadmovie wird seinem Titel „The Straight Story“ in jeder Hinsicht gerecht und lohnt sich gerade, weil es für Lynchs Verhältnisse so ungewöhnlich geerdet und nahbar ist.
Ein Werk, das die Zeit überdauert
Letztlich lohnt es sich immer wieder, die Werke von David Lynch auch mehrmals anzuschauen oder bisher nicht gekannte Streifen Jahrzehnte nach ihrer Premiere noch nachzuholen. Es gibt viele Überraschungen zu entdecken, die vielfältiger sind, als es auf den ersten Blick zu vermuten wäre. David Lynch hat ein Erbe hinterlassen, das schon zu seinen Lebzeiten viele Filmkünstler und Filmenthusiasten geprägt hat und dieses Erbe wird zweifellos auch seinen Tod überdauern.
Wer noch tiefer in das Leben und Schaffen von David Lynch eintauchen will, findet derzeit beispielsweise in der Arte-Mediathek eine ca. einstündige Doku über den US-Regisseur sowie den vollständigen Film „Mullholland Drive“ (nur noch 2 Tage online).
Bildquelle:
- df-mullholland-drive: Arte