Es war ein langer Weg von deutschen TV-Rollen bis zum Bond-Bösewicht. Quentin Tarantino ermöglichte den Durchbruch. Am überzeugendsten wirkt Waltz jedoch abseits von Hollywood-Klischees.
Man kann als Film-Schurke unheimlich grinsen wie Jack Nicholson in „Batman“ oder einen gefährlichen Blick aufsetzen wie Anthony Hopkins in „Das Schweigen der Lämmer“. Bei Christoph Waltz hingegen lauert der Abgrund hinter der Maske der Normalität. Mit diesem Zugang hat es der in Wien geborene Schauspieler in den Olymp der Film-Bösewichte geschafft: Nun ist er wieder als Ernst Stavro Blofeld im neuen James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ zu sehen. Am Montag (4.10.) wird der zweifache Oscar-Preisträger 65 Jahre alt.
Um zum Beispiel einen Nazi darzustellen, nimmt Waltz die Sichtweise seiner Figur ein statt sich zu überlegen, wie er sie möglichst böse spielen könnte. „Fragen sie einen Bösewicht, ob er sich als Bösewicht fühlt. Warum sollte er?“, sagte Waltz vor einigen Jahren in einem Gespräch mit dem Dirigenten Daniel Barenboim. „Dass er den Unterschied nicht kennt, macht ihn erst zum Bösewicht.“
Der internationale Durchbruch
Nach Jahrzehnten im deutschen Fernsehgeschäft schaffte Waltz erst 2009 den internationalen Durchbruch als SS-Offizier in „Inglourious Basterds“.
Bis zur letzten Minute habe er einen Darsteller für diese zentrale Rolle gesucht, aber niemanden gefunden, erzählte Regisseur Quentin Tarantino kürzlich in einem Podcast. Dann kam der ihm unbekannte Waltz zum Vorsprechen. „Mir fiel die Kinnlade runter“, erinnerte sich Tarantino. Um diesen Schockeffekt auch bei den anderen Darstellern wie Brad Pitt und Diane Kruger auszulösen, durfte Waltz vor dem Dreh nicht mit den Hollywoodstars proben.
Zwei mal Quentin, zwei mal Oscar
Für „Inglourious Basterds“ und den darauf folgenden Tarantino-Western „Django Unchained“ gewann Waltz Oscars als bester Nebendarsteller. In beiden Filmen war er als weltgewandter Schauspieler mit Intellekt und Witz aufgefallen. All das liegt sozusagen in der Familie. Seine Großeltern mütterlicherseits waren eine beliebte Schauspielerin am Wiener Burgtheater und ein Psychoanalytiker. Zu den Gästen der Familie gehörten Sigmund Freud und Albert Einstein, erzählt Christoph Waltz‘ Mutter Elisabeth Waltz-Urbancic in ihren Memoiren.
Die Mutter arbeitete als Kostümdesignerin und Bühnenbildnerin. Ihr Mann Johannes Waltz, ebenfalls Bühnenbildner, starb mit 41 Jahren. Christoph war damals erst sieben Jahre alt. Er wuchs mit zwei Brüdern und einer Schwester bei seinen Großeltern in Wien auf, während seine Mutter weiterhin in München arbeitete und an den Wochenenden in die österreichische Hauptstadt pendelte.
Die frühen Jahre: „Tatort“ und Roy Black
Nach dem Abitur studierte Waltz Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar und am Lee Strasberg Institute in New York. In den 70er Jahren begann seine Karriere als gut gebuchter Darsteller in TV- und Filmproduktionen, darunter ein Auftritt als angehender Ermittler in einem Wiener „Tatort“. Als unglücklicher Schlagerstar in „Du bist nicht allein – Die Roy Black Story“ wurde Waltz Mitte der 90er Jahre mit Fernsehpreisen ausgezeichnet. Mit seinem Leben in der deutschsprachigen TV-Welt war Waltz dennoch nicht zufrieden. Wenn seine Mutter sich nach seiner Arbeit erkundigte, sagte er nur: «Frag mich nicht», erzählt sie in ihrer Autobiografie.
Hollywood-Karriere seit Tarantino
Die Tarantino-Filme und Oscars öffneten Waltz die Tore zu Hollywood. Neben Bösewichten verkörperte er immer wieder Blender und Lügner aus dem echten Leben: In Tim Burtons „Big Eyes“ stellte er Walter Keane dar, der die Gemälde seiner Frau als die eigenen ausgab. Und im selbstinszenierten „Georgetown“ spielte Waltz einen Deutschen, der sich ab den 1990er Jahren durch Washington schwindelte.
Am überzeugendsten ist Waltz aber dann, wenn er sich von Rollenklischees freispielt. An der Seite von Matt Damon gab er in „Downsizing» einen schmierigen und gut gelaunten Geschäftsmann. Zu seinen jüngsten Arbeiten zählt der Science-Fiction-Film „Alita: Battle Angel“ von Robert Rodriguez und James Cameron („Titanic“, „Avatar“), in dem Waltz den Arzt und besorgten Ziehvater eines Cyborg-Mädchens spielt. Abseits von Hollywood hat Waltz zwei Opern inszeniert. Sein „Fidelio“ fand 2020 in Wien allerdings nur im Fernsehen und ohne Zuschauer statt.
Waltz, der drei erwachsene Kinder aus erster Ehe und eine Tochter aus seiner zweiten Ehe hat, schützt sein Privatleben in Los Angeles und Berlin vor der Öffentlichkeit. Von seiner Sprecherin war nur zu erfahren, dass Waltz der Londoner Premiere des neuen Bond-Films nicht beiwohnen werde, weil er derzeit in den USA für die zweite Staffel der Action-Serie „A Most Dangerous Game»“vor der Kamera stehe – als moralisch zwielichtiger Geschäftsmann, der Menschenjagden vermittelt.