Vergessene SciFi Perlen: „Doors“ ohne Jim Morrison

0
1247
Die SciFi-Anthologie "Doors"
Bild: Lighthouse

Der SciFi-Film „Doors“ ist nicht mit der deutlich bekannteren nahezu gleichnamigen Produktion um die Kult-Band von Jim Morrison zu verwechseln. Darum geht es in der Anthologie.

Das Unbekannte zu thematisieren ist eine der größten Herausforderungen der Science Fiction. Wie soll man etwas darstellen, was über alles Bekannte, die eigene Erfahrungswelt, die eigenen Grenzen des menschlichen Denkens hinausgeht? 

Stanislaw Lems „Solaris“ und der Roman „Picknick am Wegesrand“ der Gebrüder Strugatzki sind zwei sehr bekannte Versuche sich dem Unbekannten literarisch zu nähern. Während es bei Lem eine lebendige, unbegreifliche Entität in Form einer Sonne ist, beschreitet auch die Zone im Strugatzki-Werk anthropologische Pfade. Das heißt, das Unfassbare wird fassbar gemacht, indem es den Menschen als Spiegel verwendet. Anstatt also eine fremde Welt zu erkunden wird die Reaktion der Menschen auf sie gezeigt, die damit quasi ihr eigenes Innerstes erforschen. Können sie die durch eine außerweltliche Erscheinung hervorgerufenen neuen Bedingungen akzeptieren und mit ihnen leben oder hängen sie dermaßen an der alten Welt, weshalb sie gegen alles Neue ankämpfen und diesen Kampf verlieren? Eindeutige Antworten gibt es in solchen Geschichten eigentlich nie.

Der Anthologie-Film „Doors“ reiht vier Kurzfilme von verschiedenen Filmemachern aneinander, die durch ein solch außerweltliches Ereignis thematisch miteinander verbunden sind: Überall auf der Erde erscheinen Millionen Tore, deren Herkunft genauso unbekannt ist wie deren Zielort. Und mehrere Menschen erforschen das Phänomen auf ganz unterschiedliche Weise.

Unbekannte Zone

Der erste Kurzfilm „Lockdown“ wirft die Zuschauer sofort ins tiefe Wasser. Mehrere Schüler müssen nachsitzen. Der Lehrer sammelt alles Handys ein und schließt sie weg. Folglich ist er der einzige, der noch einen Kontakt zur Außenwelt besitzt. Eine SMS später telefoniert er kurz und entflieht hektisch dem Raum. Die Schule wird hermetisch abgeriegelt ohne dass jemand weiß, was los ist. Eine Durchsage gemahnt die Schüler zur Ruhe, klingt aber selbst äußerst nervös. Als die Protagonisten dem verriegelten Klassenzimmer entkommen, erwarten sie menschenleere Korridore, die im flackernden Licht und mit der magnetisch aufgeladenen Metall-Partikel-artigen Lebensform am Ende des Flurs zu einem Horror-Schauplatz werden. 

Auch das Segment „Klopfer“ liefert kaum neue Informationen. Hier erforschen drei vom Staat angeworbene Zivilisten, die am sogenannten „Klopfer-Programm“ teilnehmen, die andere Seite eines Tors, das ein Haus im Wald zweizuteilen scheint. Anstatt also nur anzuklopfen treten sie durch die Tür hinein in eine fremde Welt – eine Zone – in der sie einfach so viele Aufnahmen wie möglich machen sollen, um nach spätestens zwölf Minuten wieder in ihre Welt zurückzukehren. Halten sie sich nicht ans Zeitlimit droht ihnen eine Psychose, die sie für immer in der Zone gefangen halten könnte. Eine weitere Regel ist, dass nichts aus der fremden Welt in die eigene Realität mitgenommen werden darf. Als die drei durchs Tor schreiten, erwartet sie die andere Seite des Hauses, die mit zunehmender Zeit einem Albtraum-Gebilde gleicht. Hätten sie sich nur nicht aufgeteilt, dann wäre ihnen vielleicht so manches Leid erspart geblieben. Aber drei Türen bedeutet nun einmal drei zu erforschende Gedankenwelten, die sich direkt auf die Psyche der Forscher beziehen. 

Unbekannte Intelligenz

„Lamaj“ rotiert wiederum um die Erforschung eines Tors als Individuum. Da die Tore mit den Menschen sprechen, muss dahinter ja auch eine gewisse Intelligenz samt einer Persönlichkeit und einem Selbstbewusstsein stecken, oder? Ein paar Nerds halten also die Entdeckung eines Tors vor der Regierung geheim und überprüfen mit unterschiedlichsten, selbst zusammen gebastelten Geräten, ob das Tor auch versteht, was sie ihm zu sagen haben. 

Den abschließenden Part übernimmt „Interstitials“, der nicht mehr und nicht weniger ist, als ein Videotelefonie-Interview eines Radiomoderators mit einem Insider, der ganz offensichtlich ein Rückkehrer aus der „Zone“ ist und mehr über die Beweggründe der Portale zu wissen scheint. Immer hin- und hergerissen, ob der gute Mann nicht doch eifach nur high ist bzw. unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Substanzen steht, realisiert aber auch bald Moderator Martin Midnight, das nicht er die Kontrolle über das Gespräch besitzt. 

Alle vier Segmente bauen auf eine Horror-Atmosphäre und tauchen tief ein in die philosophische Science Fiction. Doch keins liefert eine befriedigende Antwort, was der Natur des Themas geschuldet ist. Als Zuschauer fühlt man sich dadurch natürlich vor den Kopf gestoßen, obwohl das Projekt eigentlich eher zu Diskussionen unter den Zuschauern anregen soll. Schon „Portals“ (2019), das Vorgängerprojekt des Drehbuchschreibers und Kreateurs Chris White nutzte genau das gleiche Konzept, um drei philosophische Science-Fiction-Kurzgeschichten mit Horror-Atmosphäre in einem Anthologie-Film zu vereinen. Da das Budget in solchen Filmen meist überschaubar ist, verweilt die Handlung jeder einzelnen Story am gleichen Ort – sei es die Schule, das Haus, der Wald oder der Videochat. Der philosophischen Brisanz der vier Gedankenexperimente tut das keinen Abbruch, nur visuell wartet man quasi umsonst auf seine Belohnung. Vielleicht wäre hier eine Rahmenhandlung mit einem deutlicheren Schluss-Fazit sinnvoll gewesen, denn bis auf diesen Fauxpas sind die Kurzgeschichten in sich stimmig und könnten sogar als Serie noch fortgeführt werden.

Den Vollständigen Artikel mit der Kritik zur Blu-ray von „Doors“ finden Sie im BLU-RAY MAGAZIN 6/21

0 Kommentare im Forum
Alle Kommentare 0 im Forum anzeigen

Kommentieren Sie den Artikel im Forum