Gérard Depardieu überschreitet Grenzen. Nicht nur im Film. Zuletzt sorgte die Filmlegende wegen Vergewaltigungsvorwürfen und einem Nordkorea-Besuch für Aufsehen. Ein Dokumentarfilm will anlässlich des 70. Geburtstags des Stars nun Einblick in sein Wesen geben.
Gérard Depardieu winkt den Panzern von Kim Jong Un zu, dem Machthaber Nordkoreas. Die Reise des französischen Schauspielers zur Militärparade kam in Frankreich zunächst nicht gut an. Doch hinter dem Ausflug verbarg sich diesmal kein skurriles Vorhaben wie das, den Despoten persönlich zu treffen oder die Einbürgerung zu verlangen. Die Reise im September diente einem Dokumentarfilm anlässlich des 70. Geburtstags von Depardieu (27. Dezember).
Die Doku soll 2019 fertig sein und den Titel „70“ tragen, wie der Dokumentarfilmer und Schriftsteller Yann Moix erklärte. Dabei gehe es auch um den 70. Geburtstag der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea, wie Moix sagte. Der Staat in Ostasien wurde am 9. September 1948 proklamiert.
Die Parallele zwischen beiden Geburtstagen erstaunt. Beide seien „monstres sacrés“, undurchschaubare Monster, schrieb Moix in der Wochenzeitschrift „Paris Match“. Über beide zu drehen, sei eine einzigartige Erfahrung gewesen, wie er in seiner Reportage über die Reise mit Depardieu nach Nordkorea erklärte. Eine erste Erkenntnis fasste der 50-Jährige in der Wochenzeitung mit einem Satz zusammen: „Gérard erlaubt sich nicht alles, weil er Depardieu ist. Weil Gérard sich alles erlaubt, ist er Depardieu.“
Depardieu gilt als Urgestein des französischen Kinos. Hinter seiner massigen Erscheinung und unbändigen Energie erahnt man alle Zustände der Seele in ihrer unbändigsten Kraft: Begehren, Verlangen, Liebe und Hass, die der Filmstar mit explosiver Emotionalität als Balzac, Obelix und Cyrano de Bergerac in seinen Filmen zum Ausdruck bringt.
Der in Châteauroux in Zentralfrankreich geborene Franzose kann auf über 200 Filme blicken, darunter Filmperlen wie „Die Ausgebufften“, „Cyrano von Bergerac“, „Die Frau nebenan“, „Die letzte Metro“ und „Green Card – Schein-Ehe mit Hindernissen“. Auf der langen Liste der Filme, die er in seiner mehr als 40-jährigen Karriere gedreht hat, stehen viele große und kleine, gute, aber auch schlechte Streifen. Aber das ist dem Star egal: Er spielt, was ihm gefällt.
„Mich interessieren nicht die Filme, sondern die Geschichten und die Personen, mit denen ich mich identifizieren kann“, erklärte er. Und zu denen gehören: Draufgänger, Zuhälter, Rebell, Vagabund und Hedonist. Doch gleich ob in lumpigen oder noblen Rollen – mit seiner schwergewichtigen Erscheinung sprengt Depardieu die Filmleinwand.
Seine Maßlosigkeit und sein impulsiver Charakter sind bekannt und gefürchtet. Alkoholprobleme, Trunkenheit am Steuer, Leidenschaft für Frauen, Steuerflucht, Pinkel-Affäre in einem Flugzeug und seine Liebe zu Russland, dessen Machthaber Wladimir Putin er seinen Freund nennt: Depardieu sorgt öfter mit negativen als positiven Schlagzeilen für Aufsehen. Im August wurde er von einer jungen Schauspielerin der Vergewaltigung beschuldigt.
In mehreren Büchern hat Depardieu über sein Leben geschrieben. Dabei hat er nichts beschönigt. Sein Vater war Alkoholiker und konnte kaum schreiben. Seine Mutter musste für die sechs Kinder sorgen. Gérard selbst litt an Sprachstörungen. Statt zur Schule zu gehen, klaute er. In seiner 2015 erschienenen Autobiografie „Es hat sich so ergeben“ schrieb er, er habe sich als Zehnjähriger sogar für Geld an Männer verkauft.
Wie er von der Straße zur Schauspielerei gekommen ist? Durch einen Freund, durch den er als 17-Jähriger zunächst die Welt des Theaters entdeckte. Seinen Durchbruch im Kino schaffte er Mitte der 70er-Jahre mit der Komödie „Die Ausgebufften“, wo er einen jungen Mann spielt, der in den Tag hineinlebt und die bürgerliche Gesellschaft ablehnt.
Depardieu hat über vieles geredet. Auch darüber, was ihn mit Putin verbindet. Er habe diesem aufmerksam zugehört und verstanden, dass auch Putin von ganz unten gekommen sei, schreibt er in seiner Autobiografie. Auch Putin wäre beinahe zu einem Gauner geworden, so wie er, meint der Schauspieler. Darauf, was Moix in seiner Doku „70“ noch über Depardieu erzählen will, kann man gespannt sein. [Sabine Glaubitz]
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