Einer der wenigen Filme, denen im Vorfeld der diesjährigen Oscar-Verleihung im übermächtigen Schatten von „The Artist“ zumindest Außenseiterchancen im Rennen um den besten Film des Jahres zugerechnet wurden, war „The Descendants“ von Alexander Payne.
Der spätestens seit seinen brillanten Tragikomödien „About Schmidt“ (2002, mit Jack Nicholson) und „Sideways“ (2004, mit Paul Giamatti in der Hauptrolle) als Spezialist für gleichermaßen tiefgängige wie unterhaltsame Filme geltende Amerikaner beweist mit seinem neuesten Streich endgültig, dass er es wie wenige andere Regisseure versteht, aus seinen stark figurenzentrierten Stoffen sowohl in Sachen Inszenierung, Besetzung als auch Atmosphäre das Optimum herauszuholen. Dabei hört sich eine kurze Synopsis des Plots von „The Descendants“ (in etwa „Die Nachkommen“ oder „Die Hinterbliebenen“) einigermaßen unspektakulär an und verspricht nicht unbedingt das ganz große Kinoerlebnis: Matt King (George Clooney mit einer wieder einmal sehr souveränen Leistung) glaubt, sein Leben mehr oder weniger im Griff zu haben … bis zu dem Tag, an dem seine Frau einen schweren Bootsunfall hat und in ein irreversibles Koma fällt.
Welt aus den Fugen
Zu allem Überfluss eröffnet ihm seine älteste Tochter (Newcomerin Shailene Woodley mit einer erstaunlich facettenreichen Performance), dass es mit der Ehe der beiden nicht mehr allzu weit her war: Eine Affäre hinter seinem Rücken und sehr konkrete Scheidungspläne seiner Frau erschüttern sein Weltbild noch weiter.
Was folgt, ist ein ebenso anrührender wie unterhaltsamer Familien-Roadtrip quer durch Hawaii: Oberflächlich auf der Suche nach dem geheimnisvollen Liebhaber – doch in Wahrheit bald eine Reise auf den Spuren der Vergangenheit, der gemeinsamen Erinnerung an bessere Zeiten, an die streitbare und nichtsdestotrotz geliebte und nun schmerzlich vermisste Ehefrau und Mutter. Ein bittersüßer Abschied auf Raten, an dessen Ende zumindest die Möglichkeit einer versöhnlichen und lebenswerten Zukunft steht. Traumhafte Bilder
Angesichts des paradiesischen Settings auf den verschiedenen hawaiianischen Inseln verwundert es nicht, dass die Blu-ray vor wunderbaren Einstellungen und wie gemalt wirkenden Bildern nur so strotzt. Doch die Macher widerstehen der Versuchung, in allzu platte Postkarten-Romantik abzudriften und setzen vor allem die eher bedeckten Lichtstimmungen gekonnt dazu ein, den behutsamen und introvertierten Ton der Handlung in den Aufnahmen konsequent zu spiegeln.
Technisch gelingt das ohne größere Abstriche: Lediglich für ausgesprochene Schärfe-Enthusiasten dürften die durch die Ausleuchtung des Öfteren etwas weich gezeichneten Konturen zu undefiniert ausgefallen sein. Das Bonusmaterial zeigt sich übrigens von der besten Seite, mit einem ganzen Füllhorn an sehenswerten Beiträgen zu Hintergrund, Entstehung und Rezeption des Films. Die Wertung
FILMINHALT: 8 von 10
TECHNIK: 8 von 10
BILDQUALITÄT: 8,5 von 10
TONQUALITÄT: 7 von 10
Fazit: Paradebeispiel einer gelungenen Tragikomödie, die immer den richtigen Ton trifft und die Balance zwischen Lachen und Weinen ideal hält.
BONUSMATERIAL: 9 von 10
Infos zur Blu-ray
Genre: Tragikomödie | Originaltitel: The Descendants | Land/Jahr: US 2011 | Vertrieb: 20th Century Fox Home | Bild: MPEG-4, 2.35:1 | Ton: DTS 5.1| Regie: Alexander Payne | Darsteller: George Clooney, Shailene Woodley, Amara Miller | Laufzeit: 115 Min. | Wendecover: nein | Anzahl Discs: 1 | FSK: ab 12 Jahre | Start: 25. Mai 2012
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[Tiemo Weisenseel]
Bildquelle:
- Inhalte_Blu-ray_Artikelbild: © Auerbach Verlag