Die Skorpionjacke und der Zahnstocher sind seine Markenzeichen, ebenso wie seine coolen James-Dean-Gebärden. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie die Fahrt. Im Auto des wortkargen „Drivers“ (Ryan Gosling) sind Sie absolut sicher. Selbst die Bankräuber auf dem Rücksitz brauchen keine Angst vor einer unverhältnismäßigen Entscheidung ihres Chauffeurs zu haben. Der Polizeifunk verrät ihm jeden nächsten Zug der Gegenpartei, sodass er immer zwei, drei Schritte im Voraus planen kann.
Doch trotz aller Vorsicht ist die Staatsgewalt übermächtig, das Unterfangen aussichtslos. Ruhig bringt der Fahrer das Fluchtfahrzeug in einem Parkhaus zum Stehen, steigt aus und verschwindet im Getümmel eines Sportevents. Die Räuber lässt er zurück. Sie hatten sich bei ihrem Einbruch zu viel Zeit gelassen. Eins macht die Exposition deutlich: Feste Regeln sind das A und O im Leben des Fahrers.
Erst als dieser seiner Nachbarin Irene (Carey Mulligan) begegnet, geraten die Regeln in Vergessenheit. Er hilft ihr beim Einkauf, fährt sie und ihren Sohn nach Hause und spürt zum ersten Mal, was wahres Glück bedeutet.
Doch Irene ist bereits liiert und ihr Mann kehrt bald von seinem Knasturlaub zurück. Eigentlich gibt es nichts an der Ehe auszusetzen, denn Standard (so der Name des Gatten) schätzt seine Familie über alles. Das Gift des Dramas kommt von außen. Brutalität mit bitter-süßen Beigeschmack
Standards ehemalige Beziehungen zur Mafia zwingen ihn zu einem letzten Coup. Der Fahrer entschließt sich zu helfen. Für „seine Familie“ ist er zu allem bereit. Die Handlungsstruktur und auch die Charaktere erinnern an Scorseses „Taxi-Driver“. Die kurzen aber prägnanten Gewaltausbrüche wiederum rufen Regie-Ikonen wie Takeshi Kitano („Outrage“) oder David Cronenberg („Tödliche Versprechen“) ins Gedächtnis. Allerdings wird die Brutalität an keiner Stelle beschönigt oder gefeiert. Sie dient ausschließlich der Handlung bzw. Darstellung der Charakterentwicklung.
Und auch wenn scheinbar viele moderne Filmklassiker zitiert werden, so ist „Drive“ doch etwas völlig anderes, frisches, neues – ein Drama mit nüchterner Action, anspruchsvoller Ästhetik und immens starken Bildern. Kräftige Orange-Grün-Kontraste
Autor, Regisseur und Produzent Nicolas Winding Refn („Bronson“) legt sehr viel Wert auf die visuelle Sprache und verknüpft diese mit einem sagenhaften Soundtrack, der sich Ihnen genauso in die Hirnwindungen brennt, wie die Bilder. Letztere sind ultrascharf, detailreich und wirken dank der kräftigen Orange-Grün-Kontraste wie stylische Schallplattencover aus den 1980ern. Wie könnte man das Bild besser beschreiben, als völlig atemberaubend und schön? Actionszenen sind vorhanden, auch wenn sich der Großteil auf Zeitlupenästhetik einschießt.
Dementsprechend dominiert auch der Score das akustische Geschehen und dokumentiert die innere Gefühlswelt der Protagonisten durch die passenden Klänge. Räumlichkeit nimmt dadurch nur eine untergeordnete Stellung in dem ansonsten sehr sauberen, stimmigen Mix ein. Kleinere gut ortbare Soundelemente runden das Klangbild sinnvoll ab.Die Wertung
FILMINHALT: 9 von 10
TECHNIK: 8 von 10
BILDQUALITÄT: 8,5 von 10
TONQUALITÄT: 8 von 10
Fazit: „Drive“ ist einer der stylischsten Filme der letzten Jahre. Der brutale Umschwung des Films verursacht einen bitter-süßen Beigeschmack.
BONUSMATERIAL: 6 von 10
Infos zur Blu-ray
Genre: Drama | Originaltitel: Drive | Land/Jahr: US 2011 | Vertrieb: Universum | Bild: MPEG-4, 2.35:1 | Ton: DTS-HD MA 5.1| Regie: Nicolas Winding Refn | Darsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Ron Perlman | Laufzeit: 100 Min. | Wendecover: ja | Anzahl Discs: 1 | FSK: ab 18 Jahre | Start: 29. Juni 2012
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[Falko Theuner]
Bildquelle:
- Inhalte_Blu-ray_Artikelbild: © Auerbach Verlag