Cindy und Dean sind ein sympathisches junges Paar aus der amerikanischen Mittelschicht. Der Beginn ihrer Liebe ist stürmisch, poetisch, himmelhochjauchzend; die Zukunft leuchtet ihnen – trotz so manchem Stolperstein auf ihrem geneinsamen Weg – in den schillerndsten Farben. Doch sechs Jahre in einer Beziehung können eine verdammt lange Zeit sein und schlichtweg alles verändern. In harten, fordernden, oft schmerzhaft intensiven Szenen wird das nahende Ende ihrer Liebe dem magischen Aufblühen ihrer Verbindung gegenübergestellt.
Der ganze Film wird getragen und bestimmt von Michelle Williams und Ryan Gosling, die ihre Figuren nicht bloß überzeugend spielen, sondern sie mit Haut und Haaren zu leben scheinen. Regisseur und Drehbuchautor Derek Cianfrance machte seine Wunschdarsteller schon lange vor dem Dreh mit ihren Rollen vertraut – gemeinsame Proben oder große Wiederholungen der gefilmten Szenen wurden aber bewusst vermieden, um ein möglichst unmittelbares, raues und unverfälschtes Feeling heraufzubeschwören.Lust und Last der Liebe
Wie er im kurzen, aber knackigen Making-of verrät, entstand der Film hauptsächlich als künstlerische Verarbeitung der Trennung seiner eigenen Eltern. In brillanten Montagen stellt er die Hochs und Tiefs einer langjährigen Beziehung auf sehr organische und berührende Art und Weise einander gegenüber. Den Wechsel von Zeit und Ort inszeniert er dabei (oftmals auch mithilfe seiner Cutter Ron Patane und Jim Helton, die darüber im hörenswerten Audiokommentar bereitwillig Auskunft geben) so geschickt und organisch, dass sich mannigfaltige gedankliche Verbindungen zwischen den verschiedenen Episoden und Orten entfalten. Den filmischen wie emotionalen Höhepunkt erreicht er schließlich, als er die tränenreiche Hochzeit mit der letztendlichen Trennungsszene kontrastiert – eine denkwürdige Sequenz, durch die man den ohnehin tollen Film endgültig fest ins Herz schließt. Höhen und Tiefen
Bei „Blue Valentine“ erwartet einen also ein schmerzlich authentischer Schwanengesang einer Liebe, die sich selbst überlebt und abgelebt hat. Die starke Fokussierung auf die von rosaroten Blütenträumen geprägte Phase des Verliebtseins einerseits und die extrem problembehafteten letzten Tage einer Beziehung andererseits, kann man dem Drehbuch je nach Lesart als besondere Stärke oder eine der ganz wenigen Schwächen auslegen. Zeit für die ganz alltäglichen Zwischentöne von Zweisamkeit bleibt durch diese gewollte Polarisierung des Plots jedenfalls nur in den seltensten Momenten.
Mit einer knappen Million Produktionskosten entwickelte sich „Blue Valentine“ durch zahlreiche äußerst erfolgreiche Festival-Einsätze (z. B. in Cannes, beim Sundance Filmfestival oder auf dem Filmfest München) und nicht zuletzt aufgrund von Michelle Williams‘ Oscar®-Nominierung als beste Hauptdarstellerin zu einem echten Geheimtipp für alle Freunde von anspruchsvollem und brillant gespieltem Drama. Vor allem in den amerikanischen Arthouse-Kinos trat der Film einen kleinen Siegeszug an und konnte letztendlich locker die Zehn-Millionen-Dollar-Schallmauer durchbrechen, was man angesichts der Schwere des Stoffes im Vorfeld nun wirklich nicht erwarten konnte. Independent-Kino durch und durch
Dass der Film seine Wurzeln trotz Starbesetzung und kommerziellem Erfolg dennoch eher in bescheideneren Independent-Gefilden hat, wird angesichts der Optik bald deutlich. Die teils auf Film, teils komplett digital gedrehten Bilder weisen stellenweise starkes Korn bzw. deutliches digitales Rauschen auf. Der undifferenzierte Kontrast führt dazu, dass die Farben des Öfteren verfälscht und unnatürlich erscheinen – explizit gewollte Lichtstimmungen (wie zum Beispiel das stahlblaue Licht in den Szenen im Hotel) sind hier natürlich ausdrücklich ausgenommen.
Die akustische Umsetzung beschränkt sich auf das Wesentliche – bewusst eingesetzte Raumklangeffekte oder Soundmomente, die richtig aufhorchen lassen, sucht man leider vergebens. Insgesamt ergibt sich eine leise, zurückhaltende Tonspur, die selbst die Dialoge nicht übermäßig in den Vordergrund rückt. Als Zugabe bekommt man vier interessante Deleted Scenes aus dem Rohschnitt, die die freie und improvisatorische Natur der Dreharbeiten noch deutlicher widerspiegeln als der fertige Film. Die Wertung
FILMINHALT: 8,5 von 10
TECHNIK: 6,5 von 10
BILDQUALITÄT: 6,5 von 10
TONQUALITÄT: 6 von 10
Fazit: Fein beobachteter Independent-Film, der die zarten und magischen Anfänge einer Beziehung dem schmerzlichen und unaufhaltsamen Ende einer großen Liebe gegenüberstellt.
BONUSMATERIAL: 6 von 10
Infos zur Blu-ray
Genre: Beziehungsdrama | Originaltitel: Blue Valentine | Land/Jahr: US 2010 | Vertrieb: Universum | Bild: MPEG-4, 1.66:1 | Ton: DTS-HD MA 5.1 | Regie: Derek Cianfrance | Darsteller: Ryan Gosling, Michelle Williams | Laufzeit: 113 Min. | Wendecover: ja | Anzahl Discs: 1 | FSK: ab 12 Jahre | Start: 9. Dezember 2011
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[Tiemo Weisenseel]
Bildquelle:
- Inhalte_Blu-ray_Artikelbild: © Auerbach Verlag