Jahrelang wurde um Galileo gestritten. Nun sollte das neue Zeitalter für die europäische Satellitennavigation endlich beginnen. Doch technische Probleme verzögerten den Start.
Neuer Versuch einer Doppel-Premiere für das europäische Satellitennavigationssystem Galileo und ihrer russische Trägerrakete Sojus: Wahrscheinlich am Freitag soll der Start ins All nun ein Erfolg werden. Wenn es bei der Planung bleibt, soll der Sojus-Veteran mit den beiden ersten Satelliten an Bord am Mittag vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana abheben, teilten die EU-Kommission in Brüssel, die Europäische Raumfahrtbehörde ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nach dem kurzfristigen Startabbruch am Donnerstag mit. Um das teure europäische Prestigeprojekt wurde jahrelang gerungen.
ESA-Direktor Thomas Reiter berichtete, beim Betanken der Sojus-Rakete habe eine Signalanlage ein Problem angezeigt. Es sei ein Problem des Bodensystems beim Betanken der dritten Raketenstufe aufgetreten und damit kein technisches Problem an der Rakete gewesen, teilte der Raketenbetreiber Arianespace mit. Der Start wurde deshalb vorsichtshalber auf 12.30 Uhr MESZ an diesem Freitag verschoben, wie die ESA hervorhob. 52 Stunden kann die Rakete für einen neuen Startversuch betankt bleiben.
Die Europäer wollten eine doppelte Premiere feiern: den ersten Start einer russischen Sojus-Rakete von europäischem Hoheitsgebiet und nach jahrelanger Verzögerung den Beginn des neuen Galileo-Zeitalters als Konkurrenz zum amerikanischen GPS-System. Deutschland ist der größte Finanzier des EU-Projektes, das DLR-Zentrum in Oberpfaffenhofen soll nach dem Start die Kontrolle über die Satelliten übernehmen.
Verschiebungen von Starts gebe es nicht nur in der bemannten Raumfahrt, sondern auch bei Satellitenstarts, sagte Reiter. Es gehe darum, die Satelliten sicher ins All zu bringen. „Es war klar, dass die Situation eine besondere ist“, sagte DLR-Vorstandschef Johann-Dietrich Wörner. Schließlich sei die Rampe auf Kourou neu, damit sei es praktisch ein Jungfernflug. Für den weiteren Fortschritt Galileos bedeute die Verschiebung nichts.
Nun wird auf den Neustart am Freitag gehofft. Bereits nach etwa vier Stunden sollen die Satelliten ihre Umlaufbahn erreichen, schon vorher sollen sie erste Signale funken und Kontakt zu den Bodenstationen aufnehmen.
„Politisch gesprochen schreiben wir in diesen Tagen europäische Raumfahrtgeschichte, und ein bisschen auch Weltgeschichte“, betonte der Koordinator der Regierung für die Luft- und Raumfahrt, Peter Hintze, in Oberpfaffenhofen. „Ein russischer Träger bringt an einem französischen Startplatz Satelliten ins All, die ganz wesentlich in Deutschland entwickelt und gebaut wurden – für ein europäisches Navigationssystem. Das ist internationale Kooperation vom Feinsten“.
Das Galileo-System soll die Vormacht des US-amerikanischen GPS (Global Positioning System) brechen, das unter militärischer Kontrolle steht. Galileo soll viel präziser arbeiten und weltweit metergenaue Positionsbestimmungen ermöglichen. Als Einsatzszenarien nennt die EU den Verkehr zu Lande, zu Wasser und in der Luft, aber auch die Industrie oder die Landwirtschaft. Fahnder könnten die Daten bei der Verbrecherjagd benutzen, Bauingenieure beim Einmessen von Gebäuden, Landwirte beim Verteilen von Dünger.
Immer wieder aber haben massive Verzögerungen im Zeitplan und Kostensteigerungen Galileo in die Kritik gebracht. Anstatt der anfangs geplanten 3,4 Milliarden Euro sollen es nun rund 5 Milliarden sein. Und der Betrieb war eigentlich schon für 2008 geplant. „Ich habe manchmal fast den Eindruck, dass die technischen Probleme leichter zu lösen sind als die politischen“, sagte Reiter. Nun soll es endgültig 2014 losgehen. Bis dahin sollen mindestens 18 Satelliten im All sein. Bis 2020 sollen dann 30 Satelliten in einer Entfernung von gut 23 000 Kilometern um die Erde kreisen.
Nach den bisherigen Plänen sollen die nächsten beiden Galileo-Satelliten Mitte kommenden Jahres starten. Die Startverzögerung der ersten Satelliten beeinträchtige diesen Zeitplan bisher nicht, hieß es. [dpa/rh]
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