Mit DVB-S2X hat das DVB-Konsortium einen neuen Standard zur Übertragung von digitalen Videosignalen über Satellit vorgestellt, der eine Weiterentwicklung von DVB-S2 darstellt. Was genau der neue Standard besser kann als der alte und ob Endverbraucher dafür neue Hardware brauchen, erklärte Peter Siebert vom DVB-Projekt im Gespräch mit DIGITAL FERNSEHEN.
Ende Februar verabschiedete das DVB (Digital Video Broadcast)-Konsortium in Genf die Spezifikationen für eine Weiterentwicklung des für die Satellitenausstrahlung von Videoinhalten verwendeten Standards DVB-S2. Der weiterentwickelte Standard soll den Namen DVB-S2X tragen und Satellitenübertragungen fit für die Zukunft machen. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit Dr. Peter Siebert vom DVB-Projekt über die die Gründe für die Weiterentwicklung und die wichtigsten Neuerungen.
„Der Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung von DVB-S2 war gewesen, zunächst einmal die Spezifikationen für professionelle Anwendungen zu verbessern“, so Siebert. Dies umfasst zum einen den Austausch von Fernsehprogrammen zwischen den TV-Studios aber auch die Übertragung eines Live-Signals vom Aufzeichnungsort zum Fernsehstudio. „Für diese professionellen Anwendungen werden in der Regel sehr große Antennen mit einem sehr guten Signal-Rausch-Verhältnis verwendet, also nicht dass, was der Endkunde normalerweise auf seinem Dach stehen hat“, erklärt der Experte. Besonders in diesem Bereich hätte der aktuelle DVB-S2-Standard jedoch noch großes Potential für signifikante Verbesserungen der Übertragungseffizienz geboten. Durch die neuen Spezifikationen sollen hier Effizienzsteigerungen von bis zu 50 Prozent möglich sein.
„Da wir damit sowieso schon angefangen hatten, an der Spezifikation zu arbeiten, haben wir uns dann auch angeschaut, was im Endverbraucher-Bereich noch möglich ist“, beschreibt Siebert den nächsten Schritt bei der Entwicklung von DVB-S2X. Dabei hätte sich jedoch schnell gezeigt, dass die aktuelle DVB-S2-Spezifikation für DTH (Direct to Home)-Übertragungen schon sehr gut ist, was bedeutet, dass in diesem Bereich nur mäßige Verbesserungen bei der Effizienzsteigerung möglich sind. Ein ähnlich großer Sprung wie seinerzeit von DVB-S auf DVB-S2 (zirka 25 bis 30 Prozent) ist damit wohl bei weitem nicht zu erwarten.
Doch neben der Effizienzsteigerung gab es noch weitere Punkte, die in die Weiterentwicklung der Spezifikationen mit eingeflossen sind. Eine davon ist das sogenannte Channel-Bonding. Es erlaubt die Bündelung von bis zu drei Satellitenkanälen, sodass es für den Empfänger so aussieht, als würde dieser einen einzigen Kanal empfangen. Damit können für einen Kanal sehr große Datenraten erreicht werden. Diese würden zum Beispiel bei Übertragungen von Videosignalen in Ultra High Definition (UHDTV) benötigt. „Höherer Datenraten ermöglichen für UHDTV Statistical Multiplexing einzusetzen. Dabei wird die Gesamtdatenrate dynamisch je nach Videoinhalt zwischen mehreren Videoservices aufgeteilt“, erklärt Siebert. Mit Statistical Multiplexing werde pro Videoservice eine durchschnittlich Reduzierung der Datenrate von bis zu 20 Prozent möglich. Im Endeffekt ermöglicht Channel Bonding damit mehr UHDTV Kanäle pro Satellitenkanal.
Eine Verbesserung, die Ebenfalls für professionelle Anwendungen interessant ist, wurde in Bereichen erzielt, in denen naturgemäß ein sehr schlechtes Signal-Rausch-Verhältnis vorliegt. Dies trifft zum Beispiel aufmobile Anwendungen zu. „Das war ein Bereich, der von DVB-S2 bislang noch gar nicht abgedeckt wurde und den wir jetzt in unsere Spezifikationen mit aufgenommen haben“, so der DVB-Experte.
Abwärtskompatibel für bisherige Empfangstechnik wird DVB-S2X nicht sein. Das bedeutet: Wer die neuen Spezifikationen in Zukunft nutzen möchte, braucht ein neues Empfangsgerät. „Wir haben bei der Spezifikation darauf geachtet, dass diese ungefähr parallel zum neuen Videocodier-Standard H.265 (High Efficiency Video Codec – HEVC) für den Endkundenmarkt verfügbar werden. Wir gehen davon aus, dass die Verbesserungen, die wir erzielt haben, für den Endverbraucher allein nicht unbedingt einen Receiver rechtfertigen“, gibt sich Siebert realistisch. „Dadurch, dass es aber auch dieses neue Video-Codier-Verfahren gibt, gehen wir davon aus, dass diese beiden Entwicklungen parallel auf den Markt kommen und das diese gemeinsam letztlich eine neue Hardware-Generation rechtfertigen.“ Bis es soweit ist, werden allerdings vermutlich noch etliche Monate in Land gehen. Dann wird es für die Verbraucher darauf ankommen, sich vor dem Kauf neuer Hardware umfassend über die neue Technik und deren Zukunftstauglichkeit zu informieren. [ps]
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